40 Jahre Sommerzeit: Warum die Uhren in Ost und West einheitlich tickten

1980 wurden die Uhren als Folge der Ölkrise umgestellt

Bundeskanzler Helmut Schmidt drang auf eine gemeinsame Zeitzone für das geteilte Deutschland

Autor/in:Magnus Koch
Schwarzweiß-Foto einer leeren Autobahn mit Autobahn-Schildern, die Richtung Hamburg führen.

Morgen früh um 02:00 Uhr, in der Nacht vom 28. auf den 29. März, zeigen die Uhren wieder Sommerzeit. Seit genau 40 Jahren ist diese Umstellung in Deutschland üblich. Genauer gesagt, am 6. April 1980, wurde in Deutschland die Sommerzeit eingeführt. Schon am 22. Juni 1978 hatte der Bundestag ein entsprechendes Zeitgesetz verabschiedet. Umgesetzt wurde es erst knapp zwei Jahre später, als auch die DDR sich entschloss, mitzuziehen. Im Vergleich zu den europäischen Nachbarn stand Bundeskanzler Helmut Schmidt in dieser Frage vor einer besonderen Herausforderung: der deutsch-deutschen Komponente. Das geteilte Deutschland sollte durch unterschiedliche Zeitzonen nicht noch tiefer gespalten werden. Allein im „kleinen Grenzverkehr“ zwischen West- und Ost-Berlin wären negative Auswirkungen vorprogrammiert gewesen.

Am 28. April 1978 schrieb Helmut Schmidt deshalb einen persönlichen Brief an Erich Honecker, in dem er für eine gemeinsame Lösung warb. Es sei „im Interesse nachbarschaftlicher Zusammenarbeit in Europa, wenn möglichst vermieden werde, dass Zeitunterschiede zwischen den einzelnen Staaten in Europa entstehen.“1) Ende 1979, nachdem schon einige andere Ostblockstaaten die Sommerzeit eingeführt hatten, beschloss auch die DDR die Zeitumstellung, die schließlich synchron zur BRD am 6. April 1980 umgesetzt wurde.

Während der Ölkrise 1973, dem Ausgangspunkt für Überlegungen zur Zeitumstellung, war Helmut Schmidt Finanzminister im zweiten Kabinett Willy Brandt. Bis Dezember 1972 leitete er zusätzlich das Ressort des Wirtschaftsministers. Die dramatischen Nachwirkungen der Energiekrise und des damit verbundenen umfassenden Strukturwandels der bundesrepublikanischen Industrie – eine tiefgreifende Rezession und steigende Arbeitslosenzahlen – hatte er ab 1974 als Bundeskanzler zu managen. Aber „Wirtschaft und Weltwirtschaft – das war Schmidts Metier, hier lag der Schwerpunkt seiner Kanzlerschaft“, stellte der renommierte Historiker Prof. Dr. Ulrich Herbert 2018 in einem Fachvortrag unter dem Titel „Die Kanzlerjahre und das Ende der klassischen Industriegesellschaft“ zum 99. Geburtstag Helmut Schmidts fest.

Schmidt habe schon damals erkannt, so der Historiker in seiner Analyse, dass Herausforderungen sich nationalwirtschaftlich nicht mehr lösen ließen. Zum Nachweis seiner These zitiert Herbert aus einem vertraulichen Papier, das Helmut Schmidt 1974 verfasst hatte. Damals schrieb der Politiker: „Wir müssen uns heute, anders als früher, nicht nur um unsere eigenen Nachbarn auf dem europäischen Kontinent kümmern und um unser Verhältnis zu ihnen, sondern wir leben heute im eigentlichen Sinne des Wortes, das sich von Universum ableitet, in einem universalen System wechselseitiger Abhängigkeiten der Nationen, totaler Interdependenz der politischen und wirtschaftspolitischen Entwicklungen.“

Hier äußert sich der globale Vordenker Schmidt, dessen Kanzlerschaft Prof. Dr. Ulrich Herbert an einem historischen Wendepunkt von der Industriegesellschaft zur Zeit der Globalisierung verortet und dessen Ansichten darüber hinaus für die gesellschaftlichen Umwälzungen in Zeiten der Digitalisierung mit ihrer allumfassenden Vernetzung gültig bleiben.

Und wie geht es weiter mit der Sommerzeit? In der EU wird diskutiert, die Zeitumstellung 2021 abzuschaffen. Ob das passiert, ist noch offen.

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1) zitiert aus „Die Synchronisierung Europas. Die Einführung der Sommerzeit als Instrument der Krisenbewältigung und europäischen Harmonisierung, 1973-1996, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2016, https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-1693

 

Schwarzweiß-Foto einer leeren Autobahn mit Autobahn-Schildern, die Richtung Hamburg führen.

Der an einem normalen Tag stark befahrene BAB-Abzweiger kurz vor Hamburg ist während des Fahrverbotes am 25.11.1973 wie ausgestorben. © picture alliance/dpa

Schild mit Aufschrift "Infolge Nachschubschwierigkeiten vorübergehend geschlossen"

Tankstelle bleibt geschlossen wegen Benzinmangels, Ölkrise1973. © picture alliance/ullstein bild

Ein Polizist steht bei einem Auto, das auf dem Seitenstreifen einer Autobahn parkt, und ein weiterer Polizist, der auf der Straße läuft, hält ein rundes Schild hoch.

Polizisten kontrollieren am 25.11.1973 am Autobahnkreuz Köln-Nord die Einhaltung des Fahrverbots. © dpa - Bildarchiv

Ein Junge und eine Frau befüllen vier Kanister an einer Tankstelle mit Benzin.

Der Bundesverband des Deutschen Tankstellen- und Garagengewerbes hat am 7.11.1973 die Autofahrer aufgerufen, auf Hamsterkäufe von Benzin und Dieselkraftstoff zu verzichten. © dpa - Bildarchiv

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