„Ein wunderbarer Verwaltungsbeamter erster Klasse“

Helmut Schmidts langjähriger Kanzleramtschef starb am 8. April 2025 – Ein Nachruf zum Tode von Manfred Schüler

Schwarz-weiß Fotografie von Helmut Schmidt und Manfred Schüler

Geboren wurde Manfred Schüler am 7. März 1932 im Dorf Jessen (Jasionna) im heutigen Polen. Zunächst absolvierte er eine Verwaltungslehre. Das anschließende Studium der Volkswirtschaft schloss er 1961 an der Universität Köln mit einer Dissertation über „Carl Dietzel und die Theorie des Staatskredits“ ab. Mit Berufserfahrungen in Forschungsinstitutionen und in der Industrie wurde Schüler 1968 Referent in der SPD-Bundestagsfraktion. Es folgte ein kurzes Gastspiel als Kämmerer der Stadt Gelsenkirchen, ehe ihn Alex Möller im Herbst 1969 zum Leiter der Grundsatzabteilung des Bundesfinanzministeriums nach Bonn berief.

1972 wurde Schüler von Finanzminister Helmut Schmidt zum beamteten Staatssekretär ernannt. Schmidt hatte den Verwaltungs- und Finanzfachmann durch dessen Mitarbeit in der damaligen Langzeitprogramm-Kommission der SPD kennengelernt. Als Helmut Schmidt im Mai 1974 zum Nachfolger von Willy Brandt gewählt wurde, machte er Manfred Schüler zum Chef des Bundeskanzleramts. Mit Staatssekretär Schüler, der bald auch für die Koordination der Geheimdienste zuständig wurde, leitete erstmals ein Nichtjurist die Regierungszentrale.

Für Schmidt war Schüler eine äußerst wichtige Stütze. In Abstimmung mit den Ministerien setzte der Kanzleramtschef allwöchentlich die Tagesordnung für die Kabinettssitzungen fest. Darüber hinaus gehörte er zusammen mit Regierungssprecher Klaus Bölling sowie der Parlamentarischen Staatssekretärin Marie Schlei, an deren Stelle 1976 Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski trat, zum engsten Beraterkreis des Bundeskanzlers, dem sogenannten „Kleeblatt“, das mehrmals in der Woche tagte. Schüler war selbstbewusst genug, um den Kanzler, wenn nötig, zu bremsen. Zugleich verfügte er im Umgang mit Minister*innen und Staatssekretär*innen über politisches Fingerspitzengefühl, was die Kompromissfindung erleichterte. Auf seine Loyalität und Diskretion konnte sich Helmut Schmidt immer verlassen. Das galt ganz besonders im Herbst 1977, als während der Entführung von Hanns Martin Schleyer durch die RAF täglich der Krisenstab im Kanzleramt zusammenkam.

Manfred Schüler war ein strenger Chef, der die Bonner Regierungszentrale sehr straff und effizient führte und auf Trab hielt. Mit Ausnahme des Personals für das Kanzlerbüro und zwei Abteilungsleiterstellen hatte er die Personalhoheit im Kanzleramt inne. Die Parteizugehörigkeit der Mitarbeiter*innen spielte für Schüler, der seit 1958 SPD-Mitglied war, überhaupt keine Rolle. Es zählte nur die Qualität der Arbeit, so berichtet es Peer Steinbrück, der von 1978 bis 1981 als Referent im Bundeskanzleramt arbeitete. Auf Schüler ging auch die Anweisung zurück, dass Vorlagen für den Bundeskanzler nur maximal drei Seiten lang sein durften und nach Sachstand, Problematik und Votum gegliedert sein mussten.

Einige Monate nach der Bundestagswahl 1980 verließ Manfred Schüler das Kanzleramt und wechselte auf eigenen Wunsch in den Vorstand der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Im Jahr 2000 wurde ihm das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

Rückblickend lobte Helmut Schmidt 2011 seinen früheren Kanzleramtschef in den höchsten Tönen: „Er ist ein wunderbarer Mann gewesen. Ein wunderbarer Verwaltungsbeamter erster Klasse.“

Am 8. April 2025 ist Manfred Schüler im Alter von 93 Jahren in Darmstadt gestorben.

Schwarz-weiß Fotografie von Helmut Schmidt und Manfred Schüler

Bundeskanzler Helmut Schmidt (l.) eröffnet mit einer Glocke eine Kabinettssitzung, die sich mit der Konjunktur- und Wirtschaftspolitik befasst. Rechts: Manfred Schüler, Staatssekretär und Chef des Bundeskanzleramtes.

© Bundesregierung/Wienke

Autor: Dr. Wolfgang Schmidt

Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Leiter Zeitzeugenprojekt

Dr. Wolfgang Schmidt ist seit 2024 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich „Ausstellungen und Geschichte“ und führt zurzeit ein Interviewprojekt mit Zeitzeugen aus dem Umfeld von Helmut Schmidt durch. Zuvor arbeitete er von 2002 bis 2023 bei der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung in Berlin. Schwerpunkt seiner Forschungen und Publikationen sind die deutsche und internationale Zeitgeschichte nach 1945, dabei insbesondere die Ost- und Deutschlandpolitik Willy Brandts, die Geschichte des Kalten Kriegs, die transatlantischen Beziehungen und die Nord-Süd-Politik. Wolfgang Schmidt hat Politikwissenschaft in Bonn, Lawrence (Kansas, USA) und Marburg studiert.

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