Schmidts Weggefährte, Kollege und Freund

Zum Tod von Theo Sommer

Schwarz-Weiß-Foto. Man sieht fünf Personen, die Sektgläser halten und freundlich in die Kamera blicken.

Mehr als ein halbes Jahrhundert prägte der 1930 in Konstanz geborene Journalist Theo Sommer die Wochenzeitung Die Zeit. Ende der 1950er-Jahre holte ihn Marion Gräfin Dönhoff auf Empfehlung des Politikwissenschaftlers Theodor Eschenburg aus der württembergischen Provinz nach Hamburg. Zwischen 1973 und 1992 wirkte er dort als Chefredakteur, danach als Herausgeber, Editor-at-Large und Autor. In dieser Zeit stieg das Blatt zu einem der wichtigsten Titel der Bundesrepublik auf. Sommer schrieb über 1.200 Artikel allein für Die Zeit, war Autor und Herausgeber von mehreren Dutzend Büchern und Sammelwerken, meldete sich in Reden, Aufsätzen und Essays zu vielen brennenden Gegenwartsfragen zu Wort und avancierte so zu einer der einflussreichsten publizistischen Persönlichkeiten der Bundesrepublik, deren Stimme auch im Ausland wahrgenommen wurde. Als Transatlantiker galt sein Hauptinteresse der Außen- und Sicherheitspolitik. Den auch als Kriegsreporter, unter anderem in Vietnam und Afghanistan, tätigen Sommer faszinierten insbesondere strategische Fragen.

Dieses Thema verband den promovierten Politikwissenschaftler und Historiker Theo Sommer auch mit Helmut Schmidt. Beide lernten sich 1961 auf einer Zugfahrt von Genf nach Hamburg kennen. Sie unterhielten sich – wie Sommer in der Rückschau gern erzählte – bei ein paar Flaschen Fürstenberg-Bier im Schlafwagen die halbe Nacht lang über internationale Sicherheitsfragen. Sommer war auf der Rückfahrt von einer Tagung des Londoner International Institute for Strategic Studies, der junge Bundestagsabgeordnete Schmidt arbeitete zu diesem Zeitpunkt gerade an seinem Grundlagenwerk Verteidigung oder Vergeltung. Der Austausch muss für beide höchst anregend gewesen sein, denn die Verbindung hielt – bis zum Tode Schmidts 2015. Als Schmidt 1969 zum Verteidigungsminister im ersten Kabinett Brandt ernannt wurde, holte er Sommer nach Bonn. Der erfahrene Redakteur leitete dort einen neu eingerichteten Planungsstab und schrieb für Schmidts Ministerium die große „kritische Bestandsaufnahme“ über den Zustand der Bundeswehr, das „Weißbuch“ 1970. Doch Sommers Herz schlug für den Journalismus und so wechselte er – wie vorab fest vereinbart – schon kurz darauf zurück zur Zeit. Anlässlich der Amtseinführung Schmidts 1974 als Bundeskanzler veröffentlichte Sommer einen offenen Brief mit der Überschrift „Lieber Helmut“. Nach acht Jahren Kanzlerschaft begegneten sich die beiden im Mai 1983 wieder: Sommer als Chefredakteur, Schmidt als Herausgeber, Tür an Tür in den Büros der Zeit am Hamburger Speersort. 

In der Biografie Unser Schmidt, die Sommer über seinen langjährigen Weggefährten schrieb, lässt sich das enge Verhältnis der beiden gut nachvollziehen. Was beide verbindet, ist die Konsequenz aus den Erfahrungen von Krieg und Diktatur, die Schmidt als Soldat und der knapp zwölf Jahre jüngere Sommer als Schüler einer „Nationalpolitischen Erziehungsanstalt“ erlebten: Das leidenschaftliche Engagement für einen liberalen und demokratischen Rechtsstaat.

Theo Sommer ist am Montag, den 22. August, im Alter von 92 Jahren verstorben. 

Schwarz-Weiß-Foto. Man sieht fünf Personen, die Sektgläser halten und freundlich in die Kamera blicken.

Hamburg, 21. Februar 1986. Die Wochenzeitung "Die Zeit" feiert ihr 40-jähriges Bestehen in den Redaktionsräumen des Pressehauses. V. l. n. r.: Chefredakteur Theo Sommer, die verlegerische Geschäftsführerin Hilde von Lang, Verleger Gerd Bucerius, Mitherausgeberin Marion Gräfin Dönhoff und Helmut Schmidt. Schmidt kennt Dönhoff, Sommer und Bucerius schon lange.

© Chris Pohlert, dpa

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