Schmidts einzigartige Zeugnisse der Geschichte auf 60 Regalmetern

Die Briefe des Staatsmanns werden erstmals systematisch erschlossen

Helmut Schmidt sitzt am Schreibtisch und unterschreibt Dokumente. Im Hintergrund steht ein gut gefülltes Bücherregal.

Liebe Leser*innen,

schreiben Sie noch Briefe, zum Beispiel jetzt zu Weihnachten?

Helmut Schmidt war ein leidenschaftlicher Briefeschreiber. Im Laufe seines Lebens hat er zehntausende Briefe geschrieben und erhalten, private wie politische. Seine gesammelte Korrespondenz wird heute im Helmut Schmidt-Archiv in Hamburg-Langenhorn aufbewahrt – ein einzigartiges Zeugnis für die Geschichte der Bundesrepublik.

Unsere Historikerin Franziska Zollweg erschließt diesen Bestand jetzt erstmals systematisch und gibt Ihnen in unserem Schmidtletter erste Einblicke in ihre Funde.

Wir verabschieden uns mit diesem Beitrag in die Winterpause und
wünschen Ihnen friedvolle Feiertage und einen guten Start in ein gesundes und glückliches neues Jahr.

Ihre
Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung


650 Aktenordner mit schwarzmeliertem Einband stehen dicht gedrängt auf 60 Metern Länge in den massiven Archivregalen. Sie beinhalten zehntausende Briefe, die Helmut Schmidt Zeit seines Lebens schrieb und bekam. Die Korrespondenz aus den Jahren 1953 bis 1986 bildet dabei einen besonderen Schwerpunkt: Sie markiert Schmidts Zeit als Mitglied des Deutschen Bundestags und vermittelt neue Einblicke in die Geschichte der Bundesrepublik. Jetzt wird sie im Helmut Schmidt-Archiv erstmals systematisch erschlossen.

Briefe von außerordentlichem Wert

Mit Blick auf Helmut Schmidts politische Bedeutung und umfangreiches sein Wirken sind seine Briefe von außerordentlichem gesellschaftlichen und historischen Wert. Schmidt tauschte sich allein in diesen Jahren weltweit mit mehr als 2.000 Menschen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur und Religion aus. Neben außergewöhnlichen Einzelstücken wie den Briefen von Papst Paul VI. oder König Juan Carlos gibt es über Jahrzehnte geführte Briefwechsel mit hochrangigen Politiker*innen, Genoss*innen der SPD sowie Freund*innen und Berater*innen.

Beispielhaft dafür ist der Briefwechsel zwischen Helmut Schmidt und Conrad Ahlers, der vor mehr als 60 Jahren begann: Als kritischer Journalist wurde Ahlers im Zuge der „Spiegel-Affäre“ – einem der größten Medienskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte – wegen des Verdachts auf Landesverrat verhaftet. Schmidt, der als Hamburger Innensenator selbst unter Verdacht stand, versicherte in seinem Brief vom 22. November 1962 dem im Gefängnis einsitzenden Ahlers, dass er nicht eine Minute an seiner Integrität zweifle.

Der Briefwechsel, der mit der Affäre begann und fast zwei Jahrzehnte andauerte, dokumentiert auf eindrückliche Weise Schmidts Grundüberzeugungen. Zudem verdeutlicht er, welche Ereignisse aus der Affäre unmittelbar resultierten. So setzte sich Schmidt noch im selben Jahr erfolgreich für ein neues Hamburger Pressegesetz ein, dessen Ziel ein sorgfältiges Austarieren der Rechte und Pflichten der Presse gegenüber Bürger*innen und Staat war.

Das ist der außergewöhnliche Wert dieser Zeugnisse der Geschichte: Ob handgeschrieben oder mit Schreibmaschine, private oder amtliche Korrespondenz, umfassendes Manuskript oder eine kurze Notiz: Briefe haben vielfältige Formen und Funktionen und geben wertvolle Einblicke in die Geschichte und ihre Hintergründe. Umfassende Korrespondenzbestände, wie die von Schmidt, dokumentieren eindrucksvoll das Leben und Wirken von Personen der Zeitgeschichte und ermöglichen die Rekonstruktion von weltumspannenden Netzwerken.

„Geschichte betrifft jeden Bürger“

„Geschichte betrifft jeden Bürger“, mahnte Helmut Schmidt in seiner Ansprache auf dem Historikertag 1978. Er sehe, dass Geschichte nicht nur zu bewältigen, sondern auch zukünftige Geschichte für die nachfolgenden Generationen vorzubereiten sei. Er selbst leistete einen entscheidenden Beitrag, indem er ein umfassendes Privatarchiv – das heutige Helmut Schmidt-Archiv in Hamburg-Langenhorn – anlegte. Auf Basis seiner Überzeugung gewährte Schmidt schon zu Lebzeiten Forscher*innen und Wissenschaftler*innen Einblick in sein Archiv und verfügte die Öffnung seines Nachlasses. Auf dieser Grundlage wird der Briefbestand in mehreren Teilprojekten intensiv aufgearbeitet. Die Inhalte werden erfasst, digitalisiert und unter geltenden rechtlichen Bestimmungen zur Auswertung bereitgestellt. Aufgrund der Bearbeitung des Briefbestands steht dieser Archivnutzer*innen bis 2025 allerdings nur sehr eingeschränkt zur Verfügung.

Helmut Schmidt sitzt am Schreibtisch und unterschreibt Dokumente. Im Hintergrund steht ein gut gefülltes Bücherregal.

Helmut Schmidt in seinem Hamburger Büro bei der Wochenzeitung "Die Zeit" im Jahr 1985. © picture-alliance / Sven Simon

Gescannter Brief, mit Schreibmaschine verfasst.

Brief von Helmut Schmidt an Conrad Ahlers vom 22. November 1962.

© Helmut Schmidt-Archiv

Blick ins Schmidt-Archiv. In roten Archivregalen stehen Aktenordner.

Teile des Briefbestands im Helmut Schmidt-Archiv

© Lisa Morgenstern

 

Teile diesen Beitrag: