Das Klassenzimmer wird zum Sitzungssaal des Europäischen Rats

Escape Game ermöglicht spielerischen Einstieg in europäische Friedens- und Sicherheitspolitik

Autor/in:Alisa Rieth

Liebe Leser*innen, 

stellen Sie sich vor, Sie sind in Brüssel und besichtigen mit Ihrer Reisegruppe das Europa-Gebäude. Schwarze Limousinen mit Blaulicht fahren vor. Im Blitzlichtgewitter der Fotograf*innen steigen Bundeskanzler Olaf Scholz, die estländische Premierministerin Kaja Kallas und all die anderen Staats- und Regierungschef*innen aus und eilen zum EU-Gipfel. Doch auf dem Weg passiert eine Panne und die Politiker*innen bleiben im Aufzug stecken. Nun sind Sie gefragt, denn die Zeit drängt, die Presse wartet auf Beschlüsse. Sie müssen kurzerhand einspringen und Weichen stellen für Frieden und Sicherheit in Europa: Eine gesicherte Gesundheitsversorgung, nachhaltige Entscheidungen für Klimasicherheit, die friedlichen Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten und auch für den Schutz vor Hass und Hetze im Internet.

In dieses Szenario versetzt unsere Projektleiterin Alisa Rieth Gruppen, die „Unlock Europe“ spielen; das Escape Game, das wir gemeinsam mit dem Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) entwickelt haben. 

Im aktuellen Schmidtletter erfahren Sie, wie das Spiel an politische Themen heranführt und zielgruppengerecht Bildung vermittelt – und wie Sie es bei uns buchen oder spielen können.

Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen
Ihre Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung



Themenwissen und Praxiskompetenzen für ein demokratisches Miteinander – das vermittelt unser neues Spiel „Unlock Europe“ als Instrument der politischen Bildung. Das Escape Game ermöglicht einen spielerischen und niedrigschwelligen Einstieg, um sich mit der EU als Friedensprojekt, Sicherheitsgarantin und Wertegemeinschaft zu befassen. 

Seit einigen Jahren werden Escape Games vermehrt in der politischen Bildung eingesetzt. Sie folgen immer einem ähnlichen Prinzip: Eine Gruppe löst im Rahmen einer vorgegebenen Zeit eine Hauptaufgabe mithilfe von aufeinander aufbauenden Hinweisen, etwa indem gemeinsam Spuren gefunden, Rätsel entschlüsselt und Codes geknackt werden.

Dadurch sind Escape Games für verschiedene Zielgruppen attraktiv, denn sie fördern durch die gemeinsame Spielerfahrung die Auseinandersetzung mit Gruppendynamiken und ermöglichen thematische Lern- und Sensibilisierungseffekte. Das gemeinsame Rätseln dient dabei als Ausgangslage und Motivation, um sich im Nachhinein mit bestimmten Inhalten weiter zu beschäftigen. Nach jedem Spieldurchgang schließt eine Reflexion und inhaltliche Vertiefung an, die Methode „Escape Game“ funktioniert wie ein Türöffner. 

Als zielgruppengerechtes Format für die politische Jugendbildung eignen sich Escape Games im Besonderen für den Einsatz im Unterrichtskontext. Im Unterschied zu Planspielen oder Simulationen nehmen die Teilnehmenden keine fremden Rollen ein oder vertreten vorher zugewiesene Positionen, sondern bleiben sie selbst. Damit bietet sich das Format ganz besonders an, um einen Bogen zur eigenen Lebensrealität der Teilnehmenden zu schlagen und scheinbar abstrakte politische Themen mit ganz konkreten Alltagsfragen zu verbinden. So auch bei „Unlock Europe“. Im Spiel treffen die Teilnehmenden auf verschiedene Aspekte, Fragen und Herausforderungen rund um das Thema Frieden und Sicherheit in Europa. Sie beschäftigen sich beispielsweise mit den Ursachen und Folgen des Klimawandels oder der Bedeutung von Freihandel und Lieferketten für die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern. 

Medikamente für Timos Oma, Bedrohung durch den Klimawandel

Dabei lernen die Teilnehmenden nicht nur die politische Dimension der angesprochenen Themen kennen, sondern treffen im Spiel auch auf fiktive junge Personen aus Europa, die von den Auswirkungen der politischen Situation auf ihren Alltag erzählen. Beispielsweise Timo, einen Jugendlichen aus Österreich, der sich Sorgen um seine Großmutter im Krankenhaus macht, die wegen Handelsbeschränkungen nicht ausreichend mit Medikamenten versorgt werden kann. Oder Nayan und Nimra, zwei Jugendliche aus Italien und Pakistan, die sich in einem Chat über die unterschiedlichen Folgen des Klimawandels im globalen Süden und in Europa austauschen. 

Ziel ist es, über den Bezug zu den konkreten Lebensrealitäten von jungen Menschen in Europa ein erweitertes Verständnis von Sicherheit und Frieden zu vermitteln: Sicherheit als gesellschaftlicher Wert, der sich nicht nur auf den Schutz von Leib und Leben oder die Verteidigung von Landesgrenzen durch Militär und Polizei bezieht. Sicherheit umfasst auch den Erhalt einer lebenswerten Umwelt, den Schutz kritischer Infrastruktur oder die Bewahrung demokratischer Werte. Oder auch Frieden, der mehr ist als die Abwesenheit von Krieg und Waffengewalt. Ein positives Verständnis von Frieden geht darüber hinaus und zielt als Prozess langfristig darauf ab, strukturelle Gewalt und systematische Ungleichheiten zu verringern und soziale Gerechtigkeit zu stärken. 

Gemeinsam Entscheidungen für das künftige Handeln der EU treffen

Ein weiteres Ziel von „Unlock Europe“ ist die gemeinsame Entscheidungsfindung über das künftige Handeln der EU. Dabei kommen die Teilnehmenden zu einem bestimmten Zeitpunkt im Spiel als ganze Gruppe zusammen, um zwischen verschiedenen Handlungsoptionen auszuwählen. Dafür müssen sie sich gegenseitig von den kennengelernten Themen, Aspekten und Problemen berichten, das Für und Wider der verschiedenen Maßnahmen abwägen und dann gemeinsam entscheiden, wie die EU handeln soll. 

Es gibt kein richtig oder falsch, vielmehr geht es darum, möglichst alle Perspektiven konstruktiv einzubeziehen und auch bei unterschiedlichen oder gegenteiligen Positionen eine gemeinsame Lösung zu finden. Dadurch können Urteils- und Entscheidungskompetenz sowie die Selbstwirksamkeit der Teilnehmenden gefördert werden – drei wichtige Zielsetzungen in der politischen Bildungsarbeit mit jungen Menschen.

„Unlock Europe“ kann ab sofort kostenlos gebucht werden

Nach der erfolgreichen Premiere von „Unlock Europe“ Ende April am Helmut-Schmidt-Gymnasium in Hamburg-Wilhelmsburg ist das Escape Game ab sofort für einen Einsatz im Raum Hamburg und Norddeutschland kostenlos buchbar. Das Escape Game kann im Unterrichtskontext, etwa in einer Doppelstunde oder im Rahmen eines Projekttages an Schulen eingesetzt werden. Aber auch Einsätze außerhalb des Schulalltags sind möglich – im Ausbildungsbetrieb, im Jugendclub oder Sportverein. 

„Unlock Europe“ richtet sich an junge Menschen ab 15 Jahren und kann in Gruppen von sechs bis 30 Personen gespielt werden. Je nach Gruppengröße und Interesse kann zwischen zwei und vier Themen ausgewählt werden: 

  • Sicherheit im Handel und in der Gesundheitsversorgung
  • Klimasicherheit und Umwelt
  • Diplomatie und Grenzkonflikte
  • Digitale Sicherheit und Demokratie 

Ein Spieldurchlauf mit anschließender Kurzreflexion dauert ungefähr 90 Minuten. Es sind weder inhaltliche Vorkenntnisse noch technische Voraussetzungen nötig. Das Spiel findet live und vor Ort statt. 

Alle Rätsel und Requisiten passen in einen Koffer, sodass sich das Klassenzimmer oder der Gemeinschaftsraum mithilfe der Spielanleitung in wenigen Handgriffen in das Szenario des Spiels verwandelt. Möglich ist auch, „Unlock Europe“ in den Räumlichkeiten der Ausstellung „Schmidt! Demokratie leben“ in der Hamburger Innenstadt zu spielen.

Weitere Informationen unter: www.unlock-europe.de / Kontakt: unlock-europe@remove-this.helmut-schmidt.de

Drei Jugendliche halten eine Rätselkarte in der Hand.

Konkrete Bezüge zu den Lebensrealitäten von jungen Menschen vermittelten den Schüler*innen am Helmut-Schmidt-Gymnasium in Hamburg-Wilhelmsburg bei der Premiere des Spiels ein erweitertes Verständnis von Sicherheit und Frieden.

© BKHS/Michael Zapf

Vier Jugendliche blicken auf einen Zettel. Vor ihnen stehen kleine Flaggen auf dem Tisch.

Gemeinsames Rätseln motiviert, um sich im Nachhinein mit bestimmten Inhalten weiter zu beschäftigen. © BKHS/Michael Zapf

Ansicht eines Klassenzimmers.

Alle Rätsel und Requisiten passen in einen Koffer, sodass sich das Klassenzimmer – wie hier am Helmut-Schmidt-Gymnasium – in Hamburg-Wilhelmsburg in wenigen Handgriffen in das Szenario des Spiels verwandelt. © BKHS/Michael Zapf

Autorin: Alisa Rieth, M.A.

Projektmanagerin Escape Game

Nach ihrem Studium der Politikwissenschaft und Friedens- und Konfliktforschung in Marburg, Den Haag und Frankfurt/Main war Alisa Rieth am Peace Research Institute Frankfurt in der Wissenschaftskommunikation tätig. Seit September 2022 arbeitet sie bei der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung als Projektmanagerin von „Unlock Europe – Das Escape Game zu Frieden und Sicherheit in Europa“.

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