Der Fall Khashoggi – eine Chronologie der Ereignisse

Der saudische Regierungskritiker Jamal Khashoggi ist im Konsulat seines Landes in Istanbul gewaltsam ums Leben gekommen. Am 2. Oktober 2022 jährt sich sein Todestag zum vierten Mal. Der Fall weitet sich zu einer immer größeren Krise im Königreich aus. Ein Überblick über die Geschehnisse.

Zuerst erschienen in Neue Zürcher Zeitung, 25.03.2020. Fabian Urech: Der Fall Khashoggi – eine Chronologie der Ereignisse.



28. September 2018

Jamal Khashoggi besucht an diesem Freitag das saudische Konsulat in Istanbul, um eine Bestätigung der Scheidung von seiner saudischen Ex-Frau zu erhalten. Diese benötigt er, um seine türkische Verlobte, Hatice Cengiz, heiraten zu können.

Laut Angaben von Cengiz und eines Freundes teilt ihm ein Konsulatsmitarbeiter mit, er könne das Dokument in der darauffolgenden Woche abholen. Über das Wochenende nimmt Khashoggi an einer Konferenz in London teil. Laut der New York Times teilt er dem Konsulat von dort aus telefonisch mit, er werde das gewünschte Dokument am Dienstag, 2. Oktober, abholen.



2. Oktober 2018

Eine Überwachungskamera hält fest, wie Khashoggi am frühen Nachmittag das saudische Konsulat in Istanbul betritt. Seither gilt er als verschwunden.

Gemäss aus Ermittlerkreisen durchgesickerten Informationen traf am frühen Morgen desselben Tages eine Gruppe von fünfzehn saudischen Agenten in zwei Flugzeugen aus Riad in Istanbul ein. Das mutmassliche Sonderkommando soll laut den Angaben türkischer Behörden das saudische Konsulat zu derselben Zeit besucht haben, als Khashoggi dort anwesend war.

Cengiz wartet vor dem Konsulat auf ihren Verlobten. Als Khashoggi auch nach mehreren Stunden nicht auftaucht, informiert sie die Polizei.



3. Oktober 2018

Cengiz kehrt zum saudischen Konsulat zurück, von ihrem Verlobten fehlt aber weiterhin jede Spur. Verschiedene Medien – darunter die Nachrichtenagentur Reuters und die Washington Post – vermelden, der saudische Journalist sei verschwunden.

Die saudischen Behörden veröffentlichen eine Erklärung: Khashoggi werde vermisst, er habe das Konsulat tags zuvor jedoch verlassen. Die türkischen Behörden teilen derweil mit, Khashoggi befinde sich immer noch in dem Konsulatsgebäude.



4./5. Oktober 2018

In Ankara wird der saudische Botschafter einbestellt. Die türkische Regierung fordert von Riad eine Erklärung über den Verbleib Khashoggis.

In einem Interview mit Bloomberg sagt der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, man werde den türkischen Behörden gestatten, das Konsulat in Istanbul zu durchsuchen. Khashoggi habe das Gebäude verlassen, bevor er verschwunden sei. „Wir haben nichts zu verstecken“, beteuert Salman.



6./7. Oktober 2018

Laut Berichten der Nachrichtenagentur Reuters, die sich auf Quellen in der türkischen Regierung beruft, geht Ankara davon aus, dass Khashoggi in dem saudischen Konsulat getötet wurde. Offiziell bestätigt die türkische Regierung lediglich, dass eine Untersuchung eröffnet wurde.

Verschiedene türkische und internationale Medien berichten nun davon, Khashoggi sei in dem Konsulat gefoltert und umgebracht worden. Ein Vertreter der türkischen Regierungspartei AKP erklärt gegenüber CNN Türk, Ankara verfüge über Beweise für die Ermordung Khashoggis. Saudiarabien weist diese Vorwürfe entschieden zurück.



8./9. Oktober 2018

Der Druck auf Riad wächst. Nach langem Schweigen äussert sich die amerikanische Regierung zu dem Fall. „Wir rufen die Regierung Saudiarabiens auf, eine gründliche Untersuchung des Verschwindens von Herrn Khashoggi zu unterstützen“, sagt der amerikanische Aussenminister Mike Pompeo. Vizepräsident Mike Pence schreibt, er sei „tief beunruhigt“ über das Verschwinden des Journalisten. Die USA erwarteten zudem von Riad Transparenz in dieser Untersuchung.

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan fordert, dass die saudischen Behörden für ihre Version der Ereignisse Beweise liefern. Wenn Saudiarabien behaupte, der Journalist habe das Konsulat in Istanbul lebend verlassen, „dann müssen die zuständigen Behörden das beweisen“, sagte Erdogan. Um die Dringlichkeit der Forderung zu unterstreichen, wird der saudische Botschafter in Ankara zum zweiten Mal innerhalb einer Woche einbestellt.

Türkische Ermittler erhalten die Erlaubnis, das saudische Konsulat in Istanbul zu durchsuchen. Die saudischen Behörden hätten einem entsprechenden Gesuch Ankaras stattgegeben, teilt das türkische Aussenministerium mit.

Die New York Times berichtet unter Berufung auf türkische Sicherheitskreise, das fünfzehnköpfige Team saudischer Agenten habe Khashoggi in dem Konsulat ermordet, seinen Körper danach mit einer Knochensäge zerstückelt und die sterblichen Überreste mutmasslich in Koffern aus dem Konsulat geschafft.



10. Oktober 2018

Die Hinweise auf einen Mord verdichten sich. Laut einem Bericht des türkischen Regierungsblatts Sabah konzentrieren sich die Ermittlungen der Türkei vor allem auf die fünfzehn Männer, die Khashoggi umgebracht haben sollen. Gemäss dem Bericht und Videoaufnahmen, die im türkischen Fernsehen gezeigt werden, sollen – zweieinhalb Stunden nachdem Khashoggi das Konsulat betreten hatte – sechs Autos mit den fünfzehn saudischen Regierungs- und Geheimdienstmitarbeitern das Konsulatsgelände verlassen haben.

Ein schwarzer Mercedes Vito mit verdunkelten Scheiben und ein weiteres Fahrzeug seien zur 200 Meter entfernten Residenz des Generalkonsuls gefahren, wo sie vier Stunden geblieben seien. Den türkischen Mitarbeitern des saudischen Konsulats sei an jenem Tag überraschend mitgeteilt worden, sie hätten nicht zum Dienst zu erscheinen, schreibt Sabah.



11./12. Oktober 2018

Video- und Tonaufnahmen aus dem saudischen Konsulat sollen die Ermordung Khashoggis belegen. Die Washington Post zitiert eine anonyme Quelle, die Kenntnis von den Aufnahmen haben soll. Demnach belegen die Bänder, dass Khashoggi erst verhört, dann gefoltert und schliesslich ermordet wurde.

Die regierungsnahe türkische Tageszeitung Milliyet berichtet ebenfalls von Tonaufnahmen, auf denen heftige Auseinandersetzungen und Schreie zu hören seien. Die Aufnahmen stammen laut dem Bericht von Khashoggis Smart Watch, die er beim Betreten des Konsulats getragen haben soll. Diese sei mit einem Mobiltelefon ausserhalb des Konsulats gekoppelt gewesen.



13. Oktober 2018

Der amerikanische Präsident Donald Trump droht Riad mit „schweren Strafen“, sollten sich die Berichte über Khashoggis Ermordung bestätigen. In einem Interview deutet Trump an, dass er den vermissten saudiarabischen Journalisten für tot hält. Das laufende 110-Milliarden-Dollar-Rüstungsgeschäft mit den Saudi soll von etwaigen Sanktionen indes nicht betroffen sein.

Die Türkei wirft Saudiarabien vor, bei den Untersuchungen nicht ausreichend zu kooperieren. Aussenminister Mevlüt Cavusoglu fordert Riad erneut dazu auf, türkischen Ermittlern Zugang zum Konsulat in Istanbul zu gewähren. Trotz gegenteiliger Zusicherung gestattete Saudiarabien bisher den Zugang zum Konsulat nicht.



14. Oktober 2018

Riad reagiert erbost auf die Sanktionsdrohung aus Washington. Das Königreich werde „jedwede Massnahme mit einer grösseren beantworten“, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur SPA eine amtliche Quelle. Das Königreich weise jeglichen Versuch zurück, der darauf abziele, es durch Androhung wirtschaftlicher Sanktionen oder politischen Drucks zu schwächen, hiess es aus Riad. Wegen der Drohung aus Washington erlebt die saudische Börse am Sonntag den schlimmsten Kurseinbruch seit drei Jahren. Die Aktien fielen zeitweilig um sieben Prozentpunkte.

In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Aussenminister Deutschlands, Frankreichs und Grossbritanniens Saudiarabien eindringlich dazu auf, das Verschwinden Khashoggis aufzuklären. „Wir nehmen diesen Vorfall überaus ernst“, heisst es darin. Erwartet werde „eine detaillierte und umfassende Antwort“ der saudiarabischen Regierung.

Erstmals seit Khashoggis Verschwinden spricht der türkische Präsident Erdogan mit dem saudischen Kronprinzen Salman. Bei dem Telefonat am Sonntagabend soll es laut der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu um die Gründung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe gegangen sein, die den Fall gründlich untersuchen soll.



15. Oktober 2018

Türkische und saudische Ermittler durchsuchen das saudische Konsulat in Istanbul. Sie hätten das Gebäude nach neun Stunden wieder verlassen, meldet die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Abend. Demnach haben die Ermittler auch Proben aus dem Garten des Konsulats mitgenommen. Ausserdem seien zwei Müllwagen der Gemeinde ins Konsulat gefahren, unklar war zunächst warum.

Der amerikanische Präsident Trump telefoniert am Montagabend mit dem saudischen König Salman und erkundigt sich nach dem Verbleib Khashoggis. Laut den Angaben des Weissen Hauses verneint Salman energisch, zu wissen, was dem Journalisten widerfahren sei.

Trump kündigt zudem an, der amerikanische Aussenminister Pompeo werde in Kürze nach Riad aufbrechen und danach in die Türkei weiterreisen.



16. Oktober 2018

Am Dienstagmorgen trifft der amerikanische Aussenminister Mike Pompeo zu Gesprächen mit König Salman in Riad ein, bei denen das Schicksal von Khashoggi im Vordergrund steht. Am Abend steht ein Treffen mit Kronprinz Mohammed bin Salman auf dem Programm. Am nächsten Tag will Pompeo in die Türkei weiterreisen.

Das saudische Königshaus hält weiterhin daran fest, nichts mit dem Verschwinden Khashoggis zu tun zu haben.



17. Oktober 2018

Der amerikanische Aussenminister Mike Pompeo reist von Riad in die Türkei. Noch vor dem Abflug nach Ankara erklärt Pompeo, die saudischen Würdenträger hätten ihm versichert, ebenfalls an einer Aufklärung interessiert zu sein und alle involvierten Personen zur Verantwortung ziehen zu wollen.

In Ankara trifft sich Pompeo mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu. Über den Inhalt der Gespräche sind nur wenige Details bekannt.

Türkische Medien berichten derweil, im saudischen Konsulat seien DNA-Spuren sichergestellt worden, die auf die Ermordung Khashoggis hinwiesen.

Die regierungstreue türkische Tageszeitung Sabah veröffentliche zudem Aufnahmen aus Überwachungskameras, die den angeblichen Anführer des fünfzehnköpfigen „Killerkommandos“ zeigen sollen, das Khashoggi umgebracht habe. Dabei soll es sich um einen Mann namens Maher Abdulaziz Mutreb handeln. Mutreb war früher angeblich Diplomat. Eine Liste des britischen Aussenministeriums aus dem Jahr 2007 führt ihn als Ersten Sekretär in der saudischen Botschaft in London auf. Mutreb hat den saudischen Kronprinzen in diesem Jahr auf etlichen seiner Auslandsreisen begleitet, wie Recherchen der New York Times darlegen. Bilder zeigen ihn im März in Boston und im April in Madrid, Paris und Houston, immer nur wenige Meter vom Thronfolger entfernt.

Daneben dringen immer mehr Details über die angeblichen Tonaufnahmen in türkischem Besitz an die Öffentlichkeit. Auf diesen ist laut mehreren Medienberichten zu hören, wie der Forensik-Experte in der fünfzehnköpfigen Delegation, die kurz vor dem Verschwinden Khashoggis aus Riad nach Istanbul gereist war, seinen Kollegen empfahl, Musik zu hören, während er die Leiche Khashoggis zerlege.

Der amerikanische Präsident Trump scheut vor einer Verurteilung des saudischen Königshauses noch zurück. Man gelte als unschuldig, bis die Schuld bewiesen sei, erklärt er in einem Interview. Trump rechnet damit, dass bis zum Ende der Woche Antworten zum Verschwinden Khashoggis vorliegen.



18. Oktober 2018

Präsident Trump ändert seinen Ton. Er glaubt nun, dass Khashoggi tot sei. Geheimdienstinformationen aus mehreren Quellen deuteten darauf hin, dass der Journalist von einem ranghohen saudischen Kommando ermordet worden sei, sagt Trump gegenüber Journalisten der New York Times. Trump gibt auch zu, dass der Fall Khashoggi eine der grössten aussenpolitischen Krisen seiner Präsidentschaft sei. Die Vorwürfe gegen das Königreich stellten das Bündnis der USA mit Saudiarabien infrage.

Als weiteres Zeichen der veränderten amerikanischen Haltung sagt Finanzminister Steven Mnuchin seine Teilnahme an „Davos in der Wüste“ ab. Die für die folgende Woche geplante Investorenkonferenz sollte das Königreich als zukunftsorientierte Wirtschaftskraft präsentieren. Im Zuge der Affäre Khashoggi waren vor Mnuchin schon zahlreiche Absagen eingegangen, unter anderem jene der Finanzminister Grossbritanniens, Frankreichs und der Niederlanden. Auch Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds, hat ihre Teilnahme annulliert.

Auch der amerikanische Aussenminister ist nach seinen Besuchen in Riad und Ankara zurück in Washington. Pompeo sagt gegenüber Journalisten, man gebe den Saudi noch einige Tage, um ihre Untersuchung abzuschliessen. Laut amerikanischen Medien hat Washington Riad eine Frist von drei Tagen gesetzt, um für Klarheit zu sorgen. Es kursieren erste Gerüchte, dass Saudiarabien ein Teilgeständnis erwägt.



20. Oktober 2018

Am frühen Samstagmorgen erfolgt eine dramatische Kehrtwende: Die saudische Regierung gibt zu, dass Khashoggi im Istanbuler Konsulat gewaltsam ums Leben gekommen ist. Das Königreich stellt den Tod des Journalisten jedoch als Unfall dar. Khashoggi sei bei einem Streit, der in einen „Faustkampf“ ausartete, unbeabsichtigt getötet worden.

Laut offiziellen Angaben aus Riad wurden fünf Regierungsvertreter entlassen und 18 Verdächtige inhaftiert. Sie sollen allem Anschein nach als Sündenböcke herhalten, damit der unter Verdacht stehende Kronprinz entlastet wird.

Die USA erklären, sie würden den weiteren Verlauf der saudischen Strafuntersuchung genau verfolgen. Der amerikanische Präsident Trump sagt auf dem Weg zu einem Wahlkampfauftritt, dass er es durchaus für möglich halte, dass der Kronprinz nichts von dem Mord gewusst habe. In einem Interview mit der Washington Post sagt Trump später: „Natürlich gab es Täuschung und Lügen“. Zugleich verteidigt Trump Saudiarabien jedoch als „unglaublichen Alliierten“ und nennt den saudischen Kronzprinzen „eine starke Person“.

Die Reaktionen anderer Staaten auf die Erklärung der Saudi zum Tod von Khashoggi sind von grosser Skepsis geprägt. Die EU-Aussenbauftragte Federica Mogherini fordert „umfassende, glaubwürdige und transparente Ermittlungen“.



21. Oktober 2018

Der saudische Aussenminister Adel al-Jubeir versucht die Zweifel an der von Riad verbreiteten Version des Todes von Khashoggi zu zerstreuen. Das Königshaus werde alles unternehmen, die Todesumstände aufzuklären und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, sagt Jubeir in einem Interview mit dem amerikanischen Sender Fox News. Ein enormer und schwerwiegender Fehler sei begangen worden. „Es ist eine furchtbare Tragödie.“ Dass das Königshaus und vor allem Kronprinz Mohammed bin Salman den Auftrag gegeben hätten, Khashoggi zu verschleppen oder gar zu ermorden, stellt Jubeir in Abrede.

Der türkische Staatspräsident Erdogan stellt für Dienstag ausführliche Erklärungen zum Fall in Aussicht. Bereits am Vortag erklärten Vertreter der Regierungspartei AKP, man werde keine Vertuschungsaktionen dulden.

Die deutsche Regierung schliesst wegen der Ungereimtheiten um Khashoggis Tod weitere deutsche Rüstungsexporte nach Saudiarabien aktuell aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt am Sonntagabend, Rüstungsexporte könnten nicht stattfinden, „in dem Zustand, in dem wir im Augenblick sind“.



23. Oktober 2018

Der türkische Präsident hat seinen mit Spannung erwarteten Auftritt vor dem Parlament in Ankara. Es bestehe kein Zweifel, dass dass es sich um einen geplanten und angeordneten Mord gehandelt habe, sagt Erdogan. Während er den saudischen König Salman in Schutz nimmt, lässt er durchschimmern, dass er Kronprinz Mohammed verdächtigt, den Mord angeordnet zu haben.

Erdogan schildert den Ablauf der Ereignisse, wie ihn die Ermittler rekonstruiert haben. Er nennt etwa die Reisezeiten der 15 Saudi, die für Khashoggis Tötung verantwortlich sein sollen. Er weist auch darauf hin, dass im Vorfeld der Tat ein Waldstück bei Istanbul als möglicher Ort zur Beseitigung der Leiche inspiziert worden sei. Zum saudischen Kommando habe auch ein Mann gehört, der in Alter und Statur Khashoggi ähnelt. Das Körperdouble habe nach der Tat in den Kleidern des Getöteten das Konsulat verlassen. Mit seinen Ausführungen widerspricht Erdogan der saudischen Version eines misslungenen Entführungsversuch, von dem die saudische Führung keine Kenntnis gehabt habe.

Der türkische Präsident hat konkrete Forderungen: Er verlangt die Überstellung der in Saudiarabien verhafteten Mitglieder des Sonderkommandos. Erdogan will auch, dass Riad eine Reihe von Fragen beantwortet, unter anderem: Warum konnte das Konsulat erst zwei Wochen nach Khashoggis Verschwinden durchsucht werden? Wo befindet sich die Leiche? Wer sind die lokalen Komplizen in Istanbul, von denen Saudiarabien spricht?

Später am Dienstag gibt die amerikanische Regierung bekannt, erste Strafmassnahmen gegen 21 saudische Verdächtige eingeleitet zu haben. Es handelt sich laut Aussenminister Mike Pompeo um Personen in den Geheimdiensten, vom Königshof und aus mehreren Ministerien. Ihnen wird entweder das Visum entzogen, oder sie werden zu Personen erklärt, die für ein Einreisevisum in die USA nicht mehr in Frage kommen.



26. Oktober 2018

In einer neuerlichen Kehrtwende hat der saudische Generalstaatsanwalt den Mord an Jamal Khashoggi als vorsätzliche Tat bezeichnet. Mit dieser neuesten Erklärung nähert sich Saudiarabien der türkischen Darstellung an. Salah Khashoggi, der älteste Sohn von Jamal Khashoggi, hat die Erlaubnis erhalten, zu seinen Geschwistern in die USA zu reisen. Der Hof hatte ihn mehrere Monate daran gehindert, das Land zu verlassen.



30. Oktober 2018

Die Türkei will im Mordfall Khashoggi den Saudi wichtige Beweismittel nicht übergeben. Dies wurde nach dem Treffen des saudischen Generalstaatsanwaltes Saud al-Mojeb mit dem türkischen Oberstaatsanwalt Irfan Fidan in Istanbul klar. In regierungsnahen türkischen Medien hiess es, Mojeb sei es vor allem darum gegangen, herauszufinden, was die Türkei über mögliche Verbindungen der Täter im Fall Khashoggi nach ganz oben, sprich zum saudischen Kronprinzen, wisse.



31. Oktober 2018

Im Mordfall Khashoggi meldet sich erstmals die türkische Staatsanwaltschaft zu Wort. Der türkische Chefermittler bestätigt, dass der Journalist Opfer eines hinterhältigen Mordes wurde. Die Leiche sei anschliessend zerstückelt und vernichtet worden, auch dies sei von vorneherein geplant gewesen.



5. November 2018

In einem Interview haben Khashoggis Söhne Aufklärung gefordert. „Ich hoffe, dass, was auch immer ihm passiert ist, nicht schmerzhaft war oder dass es schnell vorbei war“, sagte Abdallah Khashoggi, einer der beiden Söhne gegenüber CNN. Zudem forderte er die Überstellung der Überreste seines Vaters nach Saudiarabien. Denn solange der Leichnam nicht gefunden sei, so die Söhne, sei es der Familie nicht möglich, zu trauern. Am Freitag sagte ein Berater des türkischen Präsidenten Erdogan, Khashoggis Leichnam sei in Säure aufgelöst worden. Die Saudi hatten zuvor behauptet, ein „lokaler Kollaborateur“ habe die in einen Teppich gewickelte Leiche weggeschafft.



10. November 2018

Die Türkei hat Aufnahmen im Zusammenhang mit der Tötung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi mit einer Reihe von Ländern geteilt - darunter auch Deutschland. Auch Saudiarabien, die USA, Frankreich und Grossbritannien gehören zu den Empfängern. Die Länder haben laut dem türkischen Präsidenten Erdogan „die (aufgezeichneten) Gespräche gehört und kennen sie“.



3. Januar 2019

In der saudiarabischen Hauptstadt Riad beginnt ein Prozess gegen elf Verdächtige im Fall Khashoggi, deren Namen aber nicht öffentlich gemacht werden. Fünf der Angeklagten wird vorgeworfen, direkt an dem Mord beteiligt gewesen zu sein. Für sie wird die Todesstrafe gefordert. Weder der Generalstaatsanwalt noch die staatlichen saudiarabischen Medien machten genauere Angaben über den Auftakt des Verfahrens. Wer die Angeklagten sind, blieb ebenfalls im Dunkeln.



19. Juni 2019

Die Uno-Berichterstatterin über willkürliche Hinrichtungen, Agnès Callamard, sieht „glaubhafte Hinweise“ für eine mögliche persönliche Verantwortung des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman für die Tötung des Journalisten Khashoggi. Callamard fordert eine internationale Untersuchung zur Klärung der Schuldfrage.



23. Dezember 2019

In Gericht in Saudiarabien verurteilt fünf Angeklagte zum Tode. Drei weitere Angeklagte wurden wegen „Verschleierung des Verbrechens“ zu Haftstrafen von insgesamt 24 Jahren verurteilt. Gut ein Jahr nach dem Mord benennt Riad damit mehrere Schuldige, hält ihre Namen aber noch unter Verschluss.

Der Vertraute des Kronprinzen und hochrangige Regierungsmitarbeiter Saud al-Kahtani war zuvor beschuldigt worden, die Tat mit organisiert zu haben. Laut Staatsanwaltschaft wurde er befragt, mangels Beweisen für seine mögliche Verwicklung dann aber nicht angeklagt. Auch Mohamed al-Otaibi, saudischer Generalkonsul in Istanbul zur Zeit des Mordes, sei nicht angeklagt worden. Augenzeugen hätten bestätigt, dass er an besagtem Tag frei hatte.

Der Prozess gegen insgesamt elf – namentlich nicht genannte – saudische Männer lief in Riad seit Januar und endete nach zehn Anhörungen. Khashoggis zwei Söhne und ihre Anwälte sowie Vertreter der fünf ständigen Mitglieder im Uno-Sicherheitsrat (USA, Frankreich, Grossbritannien, Russland und China) und der Türkei erschienen zu den Anhörungen. Gegen alle Urteile kann Berufung eingelegt werden. Die Namen der Verurteilten werden erst öffentlich gemacht, wenn der Fall abschliessend verhandelt ist und die Urteilte endgültig sind.

Die Uno-Sonderberichterstatterin zu dem Fall, Agnès Callamard, kritisierte das Urteil als „Farce“. Sie verglich ihn mit dem Mord an der Journalistin Caruana Galizia in Malta im Oktober 2017. Allein die Tatsache, dass mindestens 24 Stunden vor der Tat ein Gerichtsmediziner Teil des Tötungsteams gewesen sei, deute auf frühzeitige Planung hin.



25. März 2020

In Istanbul in der Türkei wird Anklage gegen 20 Verdächtige erhoben. Die Istanbuler Staatsanwaltschaft teilte am 25. März mit, 18 Angeklagten werde vorsätzlicher Mord unter Folter vorgeworfen. Zwei weitere Verdächtige würden beschuldigt, sie dazu angestiftet zu haben. Ein Prozesstermin wurde zunächst nicht bekanntgegeben.

Einer der Hauptverdächtigen, der die Tat geplant haben soll, ist Saud bin Abdullah al-Kahtani. Er war zuständig für Medienangelegenheiten am saudischen Königshof und wurde in der Nacht entlassen, in der Riad den Tod Khashoggis eingeräumt hatte. Al-Kahtani gilt als enger Vertrauter des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman.

 



22. Mai 2020

Die Söhne von Jamal Khashoggi verkünden auf Twitter, dass sie den Tätern verzeihen. Das ebnet den Weg für ihre wahrscheinliche Begnadigung und Freilassung. Khashoggis Verlobte Hatice Cengiz hingegen erklärt, dass „niemand das Recht hat, seine Mörder zu begnadigen“.



3. Juli 2020

20 Angeklagte, allesamt saudi-arabische Staatsangehörige, werden in Istanbul in Abwesenheit vor Gericht gestellt. Sie wurden von der Istanbuler Anwaltskammer anwaltlich vertreten. Die Istanbuler Staatsanwaltschaft beschuldigt den früheren Vize-Geheimdienstchef Saudi-Arabiens sowie den ehemaligen engen Medienberater von Kronprinz Mohammed bin Salman, Saud al-Kahtani, der Anstiftung zum Mord an Khashoggi. Den 18 weiteren Männern wirft die Staatsanwaltschaft vor, die Tat ausgeführt zu haben.



7. September 2020

Ein Gericht in Saudi-Arabien verurteilt acht Angeklagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu sieben bis 20 Jahren Haft. Drei weitere Angeklagte wurden freigesprochen. Das Verfahren fand jedoch unter Ausschluss der Öffentlichkeitstatt und entsprach rechtsstaatlichen Anforderungen in keiner Weise. Drei weitere Angeklagte, darunter hochrangige saudi-arabischeBeamte, wurden freigesprochen.



2. März 2021

Wegen des Mordes an Jamal Khashoggi und der willkürlichen Inhaftierung von 34 Journalist*innen erstattet Reporter ohne Grenzen beim Generalbundesanwalt Strafanzeige gegen Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.



4. März 2021

Das Gericht in Istanbul lehnt den Antrag von Khashoggis Verlobter Hatice Cengiz ab, den kurz zuvor veröffentlichten Bericht des US-Geheimdienstes CIA als Beweismittel zuzulassen. In diesem wird der saudischeKronprinz Mohammed bin Salman als Verantwortlicher für die Ermordung Khashoggis genannt.



2. Oktober 2021

Die Organisation „Freedom First“ organisiert in Washington vor dem US-Kongress eine Gedenkzeremonie zum dritten Todestag von Jamal Khashoggi. Seine Verlobte Hatice Cengiz, die seit seinem Tod versucht, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, nimmt teil.



7. April 2022

Nach 21 Monaten schließt das 11. Hohen Strafgerichts in Istanbul, das Gerichtsverfahren im Mord am saudi-arabischen Kolumnisten Jamal Khashoggi und übergibt den Fall an Saudi-Arabien.



28. Juli 2022

Der Kronprinz von Saudi-Arabien, Mohammed bin Salman, besucht zum ersten Mal seit dem Mord an Jamal Khashoggi die Europäische Union. Auch der amerikanische Präsident Joe Biden hat die diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen. 



24. September 2022

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz reist nach Saudi-Arabien, Katar und in die Vereinigten Arabischen Emirate. In Saudi-Arabien trifft er den Kronprinz Mohammed bin Salman.
 

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