Die Beteiligungsprofis: Studie untersucht Professionalisierung der Bürgerbeteiligung

Drei Fragen an unsere Expertin Dr. Eva Krick zu den Konsequenzen für die Demokratie

Autor/in:Eva Krick
Viele gezeichnete Personen mit verschiedenen Berufen, unter anderem: Polizist*innen, Köch*innen, Bauarbeiter*innen oder Gärtner*innen

„Beteiligungsprofis“ agieren im Hintergrund und sorgen für immer mehr politische Beteiligungsmöglichkeiten. Was bedeutet es für die Demokratie, wenn sich Bürgerbeteiligung zunehmend professionalisiert und kommerzialisiert? Unsere Demokratieexpertin Dr. Eva Krick hat diese einflussreiche Berufsgruppe in ihrer aktuellen Studie in der Fachzeitschrift „Leviathan“ genauer unter die Lupe genommen. Im Interview stellt sie ihre Forschung vor und gibt Empfehlungen für gelungene Beteiligungsformate:


Wie definierst Du „Beteiligungsprofis“ und woran erkennst Du, dass sich die Beteiligungspraxis professionalisiert hat?

Als „Beteiligungsprofis“ bezeichne ich Menschen, die hauptberuflich damit beschäftigt sind, Bürgerbeteiligungsprozesse anzutreiben und durchzuführen. Sie verstehen sich alle als Kämpfer*innen für die Demokratisierung, aber sie kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen, wie der öffentlichen Verwaltung, der Zivilgesellschaft oder dem marktwirtschaftlichen Bereich. Die „Beteiligungsbranche“ ist in den letzten zehn Jahren in Deutschland stark gewachsen. Das hat mit der stetigen Zunahme der Beteiligungsmöglichkeiten zu tun, bei deren Realisierung Beteiligungsprofis zum Einsatz kommen. Und das wiederum hängt zusammen mit den gestiegenen Partizipationserwartungen der Bevölkerung und der zunehmenden Bereitschaft politischer Akteure, Bürger*innen direkter einzubinden.

Professionalisierungsprozesse erkennt man an bestimmten Mustern: Wenn eine Tätigkeit sich professionalisiert, also zu einem eigenen Berufsbild wird, dann geht das zum Beispiel eigentlich immer mit einer gewissen Form des Zusammenschlusses der Berufsgruppe einher. In Deutschland sind die Beteiligungsprofis gerade dabei, sich enger zusammenzuschließen, indem sie einen Fachverband bilden, der die Interessen der Branche gegenüber der Politik vertreten oder Qualitätsstandards festschreiben kann. Mit der Professionalisierung geht auch grundsätzlich eine Standardisierung der Berufsausbildung einher. Zu Beginn waren im Bereich der Bürgerbeteiligung eigentlich nur „Allrounder“ mit sehr unterschiedlichen Ausbildungshintergründen aktiv, die ihre Tätigkeit „on the job“, also durch praktische Erfahrung gelernt haben. Mittlerweile gibt es neben vielen speziellen Weiterbildungsprogrammen einen ersten Studiengang im Bereich „Planung und Partizipation“.

Welche Konsequenzen hat das für die Demokratie, wenn Bürgerbeteiligung immer mehr kommerzialisiert wird?

Hier muss man zwischen den verschiedenen Typen von Beteiligungsprofis und ihren recht unterschiedlichen Aufgaben differenzieren. Kommerzialisierung ist vor allem ein Thema in Bezug auf die Durchführung von Beteiligungsprozessen (nicht etwa deren Initiierung oder Evaluation), denn diese Aufgabe übernehmen in der Regel auf solche Prozesse spezialisierte Unternehmen. Diese Unternehmen verkaufen eine Dienstleistung und sind dabei natürlich auch Marktlogiken unterworfen. Wenn sie bestimmte Beteiligungsformate empfehlen, dann sollte man ihr marktwirtschaftliches Eigeninteresse immer im Hinterkopf haben. Um eine gute Auswahl zu treffen und die beauftragten Dienstleister dann kontrollieren zu können, ist die öffentliche Verwaltung gut beraten, wenn sie ihre hauseigene Expertise im Bereich Bürgerbeteiligung immer weiter ausbaut. Welche Fragen man im Einzelfall bei der Beurteilung  von Beteiligungsunternehmen stellen sollte, darauf gehe ich am Ende meiner Beteiligungsprofi-Studie genauer ein.

Im angelsächsischen Raum hat die Kommodifizierung (also das „zur-Ware-machen“) der Bürgerbeteiligung dazu geführt, dass multinationale Planungs- und PR-Firmen in den Markt drängen, die eher wenig spezialisiertes Wissen zur Vielfalt der Beteiligungsmethoden und zu  den normativen Fragen rund um die demokratische Partizipation haben und häufig bestimmte, besonders aufwändige und lukrative Formate, wie losbasierte Bürgerräte, pushen. In Deutschland sind wir an einem anderen Punkt. Hier sind viele kleinere, spezialisierte Firmen aktiv, die häufig ein starkes demokratisches Ethos leitet und die ausgewiesene Expertise im Bereich Bürgerbeteiligung haben, weshalb sie differenzierte, auf den Einzelfall zugeschnittene Lösungen anbieten können.

Wie sollte Deiner Meinung nach Bürgerbeteiligung gestaltet sein? Und worauf gilt es zu achten, wenn man manipulative Prozesse oder Scheinpartizipation vermeiden will?

Es gibt unzählige Beteiligungskanäle, die alle ihre Stärken und Schwächen haben: Volksentscheide eignen sich für Fragen, die man mit Ja oder Nein beantworten kann und deren Konsequenzen überschaubar sind; Bürgerräte können ein politisches Problem tief durchdringen und das Für und Wider von Maßnahmen abwägen; Stakeholder-Anhörungen können ganz gezielt Betroffenenperspektiven einbinden; Das Engagement in Parteien ist unverzichtbar für die Bündelung politischer Positionen und die Aufstellung von Kandidat*innen bei Wahlen; Wahlen sind wiederum die beste und inklusivste Möglichkeit, politische Repräsentant*innen auszuwählen; Über Online-Kommentarplattformen kann niedrigschwellig breiter Input eingeholt werden; Bürgerhaushalte beziehen die Öffentlichkeit in Umverteilungsprozesse und Interessenausgleich ein; Und Beteiligungsformate wie Bürgersprechstunden sind leicht zu organisieren und für alle Interessierten offen. 

Welcher Kanal der Beteiligung im Einzelfall der richtige ist, hängt vom Problem und Betroffenenkreis ab. Alle Wege der Bürgerbeteiligung beleben die Demokratie, politisieren den öffentlichen Diskurs und verändern die demokratische Kultur hin zu einer Gesellschaft, in der sich Menschen einmischen und unser Zusammenleben aktiv mitgestalten.

Zum Vorwurf der Scheinpartizipation: Der Eindruck, dass es sich um „Fake“ handelt, entsteht vor allem, wenn der Input von Bürger*innen einfach verpufft. Das ist natürlich besonders seltsam, wenn die Politik den Input selbst eingeholt hat und die Erarbeitung ziemlich aufwändig war, wie etwa bei Bürgerräten. Ich plädiere zwar nicht dafür, dass Bürgergutachten automatisch Gesetz werden, und das wollen auch die meisten Leute nicht, wenn man sie fragt, wie viel Entscheidungsmacht Bürgerräte bekommen sollen. Eine Runde zufällig ausgewählter Bürger*innen hat schließlich keinen Auftrag gegenüber der Gesamtbevölkerung und sie spiegelt die Gesellschaft nie in ihrer ganzen Breite wider (siehe auch meine Erläuterungen dazu in meinem Epaper zu den typischen Schwächen von Bürgerräten). Ganz wichtig ist aber eine Reaktion der Politik auf die Vorschläge von Bürger*innen. Eine Rückmeldung dazu, was umgesetzt wird, was nicht, und warum, muss verpflichtend sein. Das ist eine Frage der Wertschätzung und aus meiner Sicht unverzichtbar, wenn man auch in Zukunft noch Teilnehmer*innen für dialogische Partizipationsformate gewinnen will. Für Beteiligungsprofis gehört eine solche Rückmeldung übrigens zum Mindeststandard guter Bürgerbeteiligung. Die Politik sieht sich aber oft nicht in der Lage, das auch zu liefern, und wir müssen es deshalb als Zivilgesellschaft vehementer einfordern. 


 

Eva Krick (2023): Beteiligungsprofis in der Demokratie. Zur Professionalisierung und Kommerzialisierung einer Wachstumsbranche, in: Leviathan 51(3), 454-483. URL: https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/0340-0425-2023-3-454/beteiligungsprofis-in-der-demokratie-zur-professionalisierung-und-kommerzialisierung-einer-wachstumsbranche-jahrgang-51-2023-heft-3?page=1 

Viele gezeichnete Personen mit verschiedenen Berufen, unter anderem: Polizist*innen, Köch*innen, Bauarbeiter*innen oder Gärtner*innen

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