Moritz Schularick: „Wir sind auf die Polykrise nicht gut vorbereitet“

Mehr als 200 Gäste diskutieren bei der Helmut Schmidt Lecture in Berlin über die Neugestaltung der Globalisierung

Moritz Schularick am Rednerpult

Die Neugestaltung der Globalisierung stand am Montagabend im Fokus der Helmut Schmidt Lecture in Berlin. Gemeinsam mit mehr als 200 Gästen haben der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) Professor Dr. Moritz Schularick und das Team der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung (BKHS) über ihr Verständnis und die Ausgestaltung der globalen Handelsbeziehungen gesprochen. Schularick sieht eine große Chance darin, dass Deutschland momentan wirtschaftlich in vielen Branchen schlecht dastehe und somit nur besser werden könne. Zusammen mit unserer BKHS-Programmleiterin für „Globale Märkte und sozialen Gerechtigkeit“ Dr. Elisabeth Winter und Yunnan Chen, Forscherin vom ODI London, diskutiere Schularick über verschiedene Ansätze, Globalisierung neu zu gestalten. Winter betonte, dass Globalisierung mehr sei als nur der Handel zwischen Ländern und dieser vor allem auch kein Selbstzweck sein dürfe. Ein weiteres Highlight des Abends war die Präsentation der dritten Ausgabe des BKHS Magazines ebenfalls zum Thema „Remaking Globalisation!“ mit Beiträgen vieler renommierter Expert*innen.

Peer Steinbrück eröffnete als Kuratoriumsvorsitzender der BKHS die Helmut Schmidt Lecture 2023 im Berliner Museum für Kommunikation und betonte, dass wir aktuell eine Entwicklung zu einer multipolaren Weltordnung erlebten. „Damit gehen neue Anforderungen, Herausforderungen, aber auch Chancen einher. Die wirtschaftliche Globalisierung hat Gewinner und Verlierer hervorgebracht. Während der Welthandel dramatisch zunahm, war der Anteil des Wirtschaftswachstums nicht gleichmäßig verteilt. Im Gegenteil: In den meisten Ländern der Welt nimmt die soziale Ungleichheit zu. Und das gilt auch für den Wirtschaftsnationalismus.“
 
„Wir brauchen ein Krisenmanagement wie bei Helmut Schmidt.“ Moritz Schularick zieht in der Helmut Schmidt Lecture Parallelen zu Helmut Schmidt. Der Pragmatismus und der schlagfertige Umgang mit Problemen, für den der Altkanzler bekannt war, werde laut Schularick auch in der heutigen Zeit gebraucht. Gerade hier sieht er, dass Berlin hinter Städten wie London, Paris oder Washington zurückbleibe. Deutschland habe zahlreiche Regeln zur Krisenvermeidung, verfüge jedoch nicht über das Krisenmanagement, um mit den Problemen effektiv umzugehen, wenn es tatsächlich zu einer Krise komme. Für Moritz Schularick ist es wichtig, eine intellektuelle Infrastruktur in Berlin aufzubauen, mit Denkfabriken, mit Medien, mit Forschung und Wissenschaft, damit wir besser antizipieren können, was zukünftig weltweit geschieht. 

„Wir müssen die Ukraine in Deutschland mehr unterstützen.“ Für Moritz Schularick steht fest, dass wir uns als europäische Partnerstaaten nicht von Donald Trump überraschen lassen, sondern selber mehr in Rüstungsgüter investieren sollten. Um Russland entschieden entgegenzuwirken, sei es wichtig, unabhängiger zu werden – auch in Rüstungsfragen.

Die BKHS-Expertin Elisabeth Winter betonte bei der Diskussion zur Neugestaltung der Globalisierung, wie wichtig Ehrlichkeit sei, wenn es um strategische Zusammenarbeit gehe. Es sei nicht grundlegend verwerflich, eigene strategische Wirtschaftsinteressen zu verfolgen. Wichtig sei hierbei allerdings, offen und transparent damit umzugehen, sodass ein Weg gefunden werden könne, der für alle Beteiligten von Vorteil sei. Internationaler Handel und Wirtschaftswachstum dürfe nicht zum Selbstzweck verkommen. Statt nationaler ökonomische Kennzahlen müsse vielmehr der Mensch im Mittelpunkt stehen, wenn wir Globalisierung neu nach ökonomischen, umwelt- und sozialpolitischen Aspekten gestalten.

Bei der Veranstaltung stand neben dem Vortrag von Moritz Schularick und der Diskussion zwischen Elisabeth Winter und Yunnan Chen auch der Launch des dritten BKHS Magazine im Fokus. In den von den drei BKHS-Programmleiterinnen Dr. Elisabeth Winter, Dr. Julia Strasheim und Dr. Eva Krick herausgegebenen Magazin teilen Autor*innen aus Politik, Wissenschaft und Kultur sowohl konkrete Politikempfehlungen als auch Denkanstöße für die Globalisierung von morgen. Dafür nutzen sie verschiedene Formate, diese reichen von Essays und Interviews bis zu Bildern und Gedichten. Das BKHS Magazine ist auf der Website kostenfrei zum Download verfügbar.

Moritz Schularick am Rednerpult

© BKHS/Michael Zapf

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