Rund ein Jahr zuvor, am 23. November 1977, hatte Schmidt als erster deutscher Bundeskanzler das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz in Polen besucht. Dieses einschneidende Erlebnis noch vor Augen, thematisierte er bei der Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht in der Kölner Synagoge erstmalig die deutsche Verantwortung für nationalsozialistische Verbrechen, die er bezogen auf den 09.11.1938 klar benannte: „Wo Gotteshäuser brannten, wo auf einen Wink der Machthaber zerstört und geraubt, gedemütigt, verschleppt, eingekerkert wurde, da gab es keinen Frieden mehr, keine Gerechtigkeit, keine Menschlichkeit mehr.“ Im weiteren Verlauf der Rede fordert der Kanzler die Deutschen auf, aus den Geschehnissen Konsequenzen zu ziehen und Verantwortung zu übernehmen: „Ich wiederhole, was ich in Auschwitz sagte: Die heute lebenden Deutschen sind als Personen zu allermeist unschuldig. Aber wir haben die politische Erbschaft der Schuldigen zu tragen und aus ihr die Konsequenzen zu ziehen. Hier liegt unsere Verantwortung“.
Der Besuch von Bundeskanzler Helmut Schmidt in Auschwitz und die Ansprache in der Kölner Synagoge 40 Jahre nach der Reichspogromnacht stehen dafür, dass die Bundesrepublik sich zunehmend mit der NS-Vergangenheit auseinandersetzte. Schmidts Haltung zur Schuldfrage seiner und nachfolgender Generationen wurde dabei rückblickend auch differenziert und kritisch betrachtet.
Die gesamte Ansprache des Bundeskanzlers am 09. November 1978 in der Kölner Synagoge anlässlich der Gedenkfeier zur Reichspogromnacht – ein Dokument aus dem Helmut-Schmidt-Archiv mit eigenhändigen Notizen des Redners (in grün!) – ist hier zu lesen.