Am 14. Juni stellte die Bundesregierung erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie vor. In dieser wird dargelegt, wie die Regierung auf äußere sowie innere Gefahren reagieren will. Der Strategie zugrunde liegt die Idee, neben der militärischen Bedrohung auch Cyber-Attacken, mögliche Anschläge auf kritische Infrastruktur oder auch den Klimawandel zu berücksichtigen. Der Begriff „Sicherheit“ wird also größer gedacht als nur militärisch und diplomatisch.
Diesen Ansatz vermittelt auch unser Escape Game „Unlock Europe“ jungen Menschen ab 15 Jahren. Was der breite Sicherheitsbegriff bedeutet und wie Jugendliche sich über ein spielerisches Format damit auseinandersetzen können und ihn begreifen, erläutern Julia Strasheim, Alisa Rieth und Merle Strunk aus unserem Escape Game-Projektteam.
Was bedeutet der breite Sicherheitsbegriff bzw. der integrierte Ansatz, der der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie zugrunde liegt?
Julia Strasheim: Die beiden in der Nationalen Sicherheitsstrategie so prominent platzierten Begriffe stehen für die Erkenntnis, dass Sicherheit nicht allein auf militärische Aspekte wie Kriege und Aufrüstung verengt werden kann. Zu den Bedrohungen unserer Sicherheit zählen auch andere innen- und außenpolitische Faktoren, wie die Klimakrise, Pandemien, Armut und Hunger, Rechtsextremismus oder Desinformationskampagnen. Diese Krisen bedingen sich oft gegenseitig. Ein integrierter Ansatz, der unterschiedliche Politikfelder miteinander in Einklang bringt und Ressourcen bündelt, hat daher das Potential, Sicherheitsbedrohungen besser entgegenzuwirken. Er birgt aber auch Risiken. Wenn Entwicklungszusammenarbeit zum Beispiel vordergründig aus einer sicherheitspolitischen Perspektive betrachtet wird – etwa, indem sie verstärkt für Migrationskontrolle und Grenzsicherung genutzt wird – kann das entwicklungspolitische Ziele konterkarieren und die Glaubwürdigkeit Deutschlands unterminieren.
Welche Dimensionen eines breiten oder umfassenden Sicherheitsbegriffes vermittelt das Escape Game „Unlock Europe“?
Alisa Rieth: Auch bei Unlock Europe geht es darum, Sicherheit nicht nur im militärischen Bereich aufzugreifen und zu diskutieren. Stattdessen erleben die Spielenden, in welchen weiteren Politikbereichen Sicherheit gestaltet wird und welche Auswirkungen das konkret auf den Alltag von jungen Menschen in Europa hat. Beispielsweise treffen sie im Spiel auf Timo aus Österreich, der sich Sorgen um seine Großmutter im Krankenhaus macht, die wegen Lieferproblemen nicht mit Medikamenten versorgt werden kann. Hier wird Sicherheit also im Handel und bezogen auf die Versorgung mit zentralen Gütern und den Schutz von kritischer Infrastruktur diskutiert. Auch der Klimawandel sowie der Umgang mit seinen unterschiedlichen Folgen wie Überschwemmungen oder Hitzewellen wird mit Blick auf eine lebenswerte Umwelt und ein sicheres Zusammenleben angesprochen. Und schließlich greift das Spiel auch eine nach innen gerichtete Dimension eines umfassenden Sicherheitsbegriffes und Fragen nach einem sicheren, friedlichen und demokratischen Miteinander bspw. in den Sozialen Medien auf: Was sind Filterblasen? Wie können Fake News erkannt und wie kann Hate Speech begegnet werden?
Welche Sicherheitsbedenken und -bedürfnisse äußern Jugendliche, die das Escape Game spielen?
Merle Strunk: Welche Sicherheitsbedürfnisse junge Menschen mitbringen, ist maßgeblich von ihrer eigenen Biografie abhängig. Dabei sind die Lebensrealitäten von Jugendlichen in einer diversen Gesellschaft sehr unterschiedlich. Wenn junge Menschen Fluchterfahrungen gemacht haben oder rassistische Anfeindungen erleben mussten, haben sie andere Sicherheitsbedürfnisse als Jugendliche, die diese Erlebnisse nicht teilen. Es ist allerdings zu beobachten, dass sie sich auch um nahestehende Personen, Familienangehörige, Freunde und Mitschüler*innen sorgen. Probleme und Ängste unterschiedlichster Menschen sind ihnen aus den sozialen Medien bekannt. Viele Jugendliche bringen Empathie mit und blicken über ihren eigenen Erfahrungshorizont hinaus. Diese Fähigkeit möchte auch das Escape Game „Unlock Europe“ fördern und den Spieler*innen Perspektivwechsel ermöglichen.
Es gibt aber auch Erlebnisse, die viele junge Menschen dieser Generation teilen und die sich auf ihr Sicherheitsbedürfnis auswirken. Dazu zählen insbesondere Ohnmachtsgefühle im Zusammenhang mit dem Klimawandel oder der Umgang mit Hate Speech und Desinformation im Netz. Wem kann ich Vertrauen schenken und wohin kann ich mich mit meinen Ängsten wenden? Für junge Menschen sind dies Fragen von großer Bedeutung. Mit dem Escape Game wollen wir einen Raum schaffen, in dem sie ihre persönlichen Gedanken formulieren und sich mit anderen darüber austauschen können. Es geht auch darum, gemeinsam, als Gruppe, die verschiedenen Rätsel und Aufgaben zu lösen und damit das Gemeinschaftsgefühl zu stärken.
Mehr Infos zum Escape Game und wie Sie es buchen können, finden Sie hier.
„Unlock Europe“ ist ein Kooperationsprojekt von der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung und dem Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg und wird von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius gefördert.