Strauß versus Schmidt: Ein Wahlkampf der Extraklasse

Zwei machtbewusste und wortgewandte Rivalen lieferten sich ein rhetorisches Duell

Liebe Leser*innen,

„Ich bin der Mann mit der schnellen Schnauze.“ So hatte Helmut Schmidt sich 1957 als SPD-Bundestagsabgeordneter bereits selbst beschrieben und somit den Spitznamen „Schmidt Schnauze“ ins Leben gerufen. Der langjährige CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß war ebenfalls dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Als die zwei rhetorisch gewandten Politiker 1980 um das Bundeskanzleramt duellierten, bot sich der deutschen Bevölkerung ein sehr aufgeladener Wahlkampf mit einigen Zuspitzungen.

Dr. Johannes Zechner ist unser Kurator im Bereich Ausstellungen und Geschichte. Er beleuchtet im aktuellen Schmidtletter den Wahlkampf zwischen den beiden polarisierenden Politikern ganz genau.

Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen
Ihre Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung


 

Extrem polarisierend

Schon in der zeitgenössischen Wahrnehmung galten die Kampagnen für die Bundestagswahl vom 5. Oktober 1980 als extrem polarisierend und personalisierend, was aus historischer Perspektive eher die Ausnahme denn die Regel darstellt. Die Spitzenkandidaten waren der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU) und der aus Hamburg stammende Helmut Schmidt (SPD) als Bundeskanzler seit 1974. Bei allen landsmannschaftlichen und weltanschaulichen Gegensätzen verfügten sie auch über weniger bekannte Gemeinsamkeiten – angefangen bei intellektueller Begabung, politischer Zielstrebigkeit und rhetorischem Talent.

Der Werdegang

Strauß (geboren 1915) und Schmidt (geboren 1918) waren noch Jugendliche, als der Reichstag am 23. März 1933 mit dem „Ermächtigungsgesetz“ die demokratische Ordnung der Weimarer Republik aufhob und damit den Weg für die Gewaltherrschaft des NS-Regimes bereitete. Beide dienten in der Wehrmacht bis zum Offiziersrang eines Oberleutnants und waren während des Zweiten Weltkriegs 1941 unter anderem beim „Russlandfeldzug“ in der Sowjetunion eingesetzt. Vor allem aber unterrichteten sie an der „Heimatfront“ als Ausbildungsoffiziere Soldatengruppen von Heer beziehungsweise Luftwaffe in der Bedienung von Flugabwehrkanonen („Flak“).
Durch die Generationserfahrung von Diktatur und Weltkrieg geprägt wirkten sie schon einige Jahre später für deutsch-französische Aussöhnung, europäische Zusammenarbeit und transatlantische Beziehungen. Strauß wurde 1949 und Schmidt 1953 zum ersten Mal in den Bonner Bundestag gewählt, dem sie jeweils fast drei Jahrzehnte angehören sollten. Dieser entsandte sie als Mitglieder nach Straßburg zur länderübergreifenden „Gemeinsamen Versammlung“, einer Vorgängerorganisation des heutigen EU-Parlaments. Zudem verantworteten beide im Verlauf ihrer weiteren politischen Karriere sowohl das Finanz- als auch das Verteidigungsressort.

Das Duell

Im Jahr 1980 traten Strauß und Schmidt dann als Spitzenkandidaten für CDU/CSU respektive SPD gegeneinander um die Kanzlerschaft an. Prägendes Motiv der medialen Berichterstattung war das durch US-amerikanische Westernfilme populär gewordene „Duell“ als mit Waffen ausgefochtener Zweikampf um Ehre und Macht. Etwas friedlicher ging es unter diesem Titel auf einem Spiegel-Cover zu, das die Politiker zeichnerisch mit Attributen von Superhelden versah. Derartige Veröffentlichungen gaben eine bereits vorhandene Stimmung nicht nur wieder, sondern halfen sie auch weiter zu verstärken.
Freilich hatten die beiden machtbewussten und wortgewandten Protagonisten einen eigenen Anteil am wenig erfreulichen Debattenklima in Wahlkampfzeiten, an dem sich ihre Parteien dann gegenseitig die Schuld gaben. So belegte Strauß seinen politischen Rivalen mit einer Vielzahl abwertender Charakterisierungen, unter anderem „Chamäleon“, „Friedensschwätzer“ und „Kriegskanzler“. Aber Schmidt zeigte sich etwa mit folgender Formulierung durchaus als rhetorisch satisfaktionsfähig: „Dieser Mann hat keine Kontrolle über sich und deshalb darf er erst recht keine Kontrolle über unseren Staat bekommen.“

Der Wahlkampf

Wiederholt warben beide Lager für sich mit kritischen Aussagen über den Spitzenkandidaten der anderen Seite, was man heute als „negative campaigning“ wie bei den letzten US-Wahlkämpfen bezeichnen würde. So nutzte die CDU den Slogan „Schmidt nicht Macher, sondern: Schuldenmacher“, der Teil einer ganzen Serie mit unfreundlichen Zuschreibungen wie „Angstmacher“, „Krawallmacher“ oder „Sprüchemacher“ war. Die Jungsozialisten hingegen spielten auf das zeitliche Zusammenfallen der Bundestagswahl mit dem Erntedankfest an und wollten ganz naturnah „Viele Blumen – aber keinen Strauß“.
Darüber hinaus trugen formal überparteiliche Initiativen wie „Demokraten für Strauß“ und „Stoppt Strauß“ mit eigenen Veröffentlichungen zur weiteren Verschärfung des politischen Diskurses bei. Im linken Lager wurde intensiv diskutiert, ob man die gerade gegründete Partei DIE GRÜNEN unterstützen solle oder dann nicht wenige der SPD fehlende Prozentpunkte zu einem Wahlsieg von Strauß führen könnten. Angesichts dieser Debattenlage forderte etwa die Sozialistische Jugend Deutschlands „Die Falken“: „STOPPT STRAUSS – KRITISIERT SCHMIDT – WÄHLT OHNE ILLUSION SPD“.

Das Ergebnis

Mit 1,5% verpassten die erstmals angetretenen GRÜNEN klar den Einzug ins Parlament. Franz Josef Strauß wurde trotz einer Stimmenmehrheit für die CDU/CSU (44,5%, + 4,1 Prozentpunkte) nicht Bundeskanzler und amtierte bis zu seinem Tod acht Jahre später weiter als bayerischer Ministerpräsident. Schnell verständigten sich SPD (42,9%, + 0,3 Prozentpunkte) und FDP (10,6%, + 2,7 Prozentpunkte) wie im Wahlkampf angekündigt auf eine Fortsetzung der sozial-liberalen Koalition. Und so blieb Helmut Schmidt noch für knapp zwei Jahre Kanzler, bis er nach einem „konstruktiven Misstrauensvotum“ am 1. Oktober 1982 dem CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl weichen musste.

Zum Nachlesen und -schauen:
Spiegel-Doppelinterview „Was befähigt Sie zum Kanzler?“ (28. September 1980)
ARD-/ZDF-Fernsehdebatte „Drei Tage vor der Wahl“ (2. Oktober 1980)
CSU-Wahlwerbespot für Franz Josef Strauß (1980)
SPD-Wahlwerbespot für Helmut Schmidt (1980)

Franz Josef Strauß hält 1978 eine Rede im Bundestag in Bonn. Im Hintergrund sieht man Bundeskanzler Helmut Schmidt. Foto: Bundesbildstelle

Plakate zu den Bundestagswahlkämpfen 1972, 1976 und 1980 in unserer ständigen Ausstellung „Schmidt! Demokratie leben“. Foto: BKHS/Michael Zapf

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