Szenische Lesung aus unveröffentlichten Briefen zwischen Helmut Schmidt und Erich Honecker

2. und 3. Oktober | Helmut-Schmidt-Forum, Kattrepel 10 | Quellenlesung und Zeitzeugengespräch

Vor 74 Jahren wurde Deutschland in zwei Staaten geteilt. Zu einer ersten vorsichtigen Annährung kommt es Ende der sechziger Jahre. Auch die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt setzt die Entspannungspolitik fort. Allerdings erschweren der Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan, der NATO-Doppelbeschluss und die Solidarność- Bewegung den Prozess. In dieser Situation bemühen sich beide Staatsmänner, Helmut Schmidt und SED-Generalsekretär Erich Honecker, die negativen Auswirkungen auf das innerdeutsche Verhältnis zu begrenzen. Die Kontakte zwischen Bonn und Ost-Berlin werden zwar in vollem Umfang aufrechterhalten, erleiden aber eine Abkühlung. Trotz allen innen- und außenpolitischen Schwierigkeiten bleiben Schmidt und Honecker im Kontakt und öffnen damit den Horizont für einen Dialog zwischen beiden deutschen Staaten.

Am 3. Oktober begeht die Bundesrepublik Deutschland alljährlich den Tag der Deutschen Einheit. Die Einheitsfeier findet in diesem Jahr am 2. und 3. Oktober 2023 in Hamburg statt. 

Im Rahmen dieser Feierlichkeiten zeichnet die BKHS den Austausch Helmut Schmidts mit Erich Honecker am 2. und 3. Oktober in einer szenische Lesung nach. Die Schauspielerinnen Maike Harten und Rabea Lübbe lassen die unveröffentlichten Quellen lebendig werden: In vorgetragenen Telefonprotokollen und Briefwechseln wird die Beziehung beider Staatsmänner und die Rolle ihres Dialogs für die Deutsche Einheit erkennbar. 

Im Anschluss an die Lesung am 2. Oktober gibt es ein Gespräch mit dem Künstler Dorél Dobocan. Der Maler stammt aus Temeschburg/Rumänien und wurde mehrmals an einer Flucht aus dem Land gehindert und inhaftiert, bevor sich Helmut Schmidt für seine Freilassung 1978 einsetzte.

„Mehr Menschlichkeit gegen Kasse“ ?

Sicher verwahrt in einer Archivmappe im Helmut Schmidt-Archiv liegt ein Brief: Zwei Seiten, datiert auf den 5. Oktober 1980 – den Tag der Bundestagswahl. Er trägt die Unterschrift Helmut Schmidts. Ihn abzusenden war seine erste Amtshandlung als im Amt bestätigter Bundeskanzler, was dem Schreiben eine hohe symbolische Bedeutung verleiht. Es sind diese zwei Seiten, die die Fortsetzung des deutsch-deutschen Dialogs zwischen den verantwortlichen Politikern − nach sechsjähriger Pause – einleiteten. Schmidts Brief, adressiert an den SED Generalsekretär Erich Honecker, zeigte Wirkung: Die Gespräche wurden wieder aufgenommen und beide Staatsmänner trafen sich im Dezember 1981 am Werbellinsee. 

Dutzende solcher Briefe, Gesprächsnotizen und Telefonprotokolle liegen im Helmut Schmidt-Archiv und zeichnen das Bild einer schwierigen Beziehung: Einerseits der Versuch, ein politisches Vertrauensverhältnis aufzubauen und das permanente Aushandeln von „mehr Menschlichkeit gegen Kasse“ andererseits belasteten immer wieder den Kontakt zwischen Schmidt und Honecker. Doch trotz allen innen- und außenpolitischen Schwierigkeiten bemühten sich beide Staatsmänner, die negativen Auswirkungen auf das innerdeutsche Verhältnis zu begrenzen, und öffneten damit den Horizont für einen Dialog zwischen beiden deutschen Staaten. 

Was es bedeutet, wirtschaftliche Interessen gegen humanitäre Fragen auszuspielen, musste der aus Temeschburg/Rumänien stammende Künstler Dorél Dobocan erleben. Zwischen 1963 und 1978 unternahm er vier Fluchtversuche und wurde mehrfach als politischer Gefangener inhaftiert und gefoltert. Dadurch geriet er auf eine Härtefallliste der Bundesregierung, die Bundeskanzler Helmut Schmidt anlässlich seines Staatsbesuchs in Rumänien (Januar 1978) dem Präsidenten Nicolae Ceaușescu übergab. Schmidt forderte die Ausreise Dobocans als Vorbedingung für Verhandlungen über den Abbau des rumänischen Handelsdefizits. Doch erst nach weiteren persönlichen Interventionen Schmidts durfte Dorél Dobocan am 12. Juni 1978 in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen.

Durch seine Kunst, schreibt Dobrocan, verarbeite er seine traumatischen Erfahrungen. Die Bilder zeigen auf den ersten Blick traumhafte Wüstenlandschaften, Stillleben, Körpern und Planeten – doch dieser Eindruck täuscht: Unter der rumänischen Diktatur habe er sich einen Malstil aneignen müssen, so der Künstler, der einerseits politisch nicht angreifbar war, andererseits versteckte Botschaften über die Zustände enthielt. 
 

Veranstaltungsdetails: 

Montag,  2. Oktober um 18:00 - 18:30 Uhr mit Gespräch im Anschluss 
Dienstag, 3. Oktober um 13:00 Uhr

Im Helmut-Schmidt-Forum 
Kattrepel 10 
20095 Hamburg

Vier Portraits der Speaker und ein Foto von Schmidt und Honecker.

Portraits der Speaker (v.l.): Rabea Lübbe, Meike Harten, Franziska Zollweg und Dorél Dobochan.

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