Warum nehmen Kriegsparteien Verhandlungen auf? Erkenntnisse aus den Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland 2022

In: Zeitschrift für Friedens- und Konfliktforschung, 21. Juli 2023.

Warum nehmen Kriegsparteien während eines laufenden Krieges Verhandlungen auf? Dieser Artikel baut auf bisheriger Forschung auf, die argumentiert, dass der Beginn von Gesprächen nicht immer ausschließlich ein ernsthaftes Interesse von Kriegsparteien an einer Verhandlungslösung signalisiert, sondern dass auch alternative Motive ihre Verhandlungsentscheidung beeinflussen können. Der Artikel identifiziert und unterscheidet 4 alternative politische und militärische Motive und argumentiert, dass Kriegsparteien auch dann an den Verhandlungstisch kommen, wenn sie ihren Status gegenüber einem Gegner etablieren, interne oder externe Unterstützung sichern sowie Zeit gewinnen müssen, falls sie das Maß der Gewalt nicht mehr aufrechterhalten können. Der Artikel untersucht die Erklärungskraft dieses Arguments für die frühe Verhandlungsrunde zwischen russischen und ukrainischen Delegationen, die während Russlands anhaltendem Angriffskrieg gegen die Ukraine im Februar und März 2022 stattfand. Die Analyse baut auf semistrukturierten Interviews mit Länderexpert*innen, Fallstudien, Nachrichtenquellen und Äußerungen der Kriegsparteien auf. Sie unterstreicht Ergebnisse der bisherigen Forschung zu Kriegskosten als einer Determinante für die Aufnahme von Verhandlungen, demonstriert, dass die Verhandlungen der ukrainischen Regierung halfen, ihren Status als Verhandlungsführerin zu etablieren, und zeigt, dass die Gespräche auch der breiteren strategischen Kommunikation der ukrainischen Regierung mit externen Akteuren dienten. Weitere vorgeschlagene Mechanismen, dass Kriegsparteien verhandeln, um innenpolitische Unterstützung zu erlangen oder um Zeit auf dem Schlachtfeld zu gewinnen, konnten für den vorliegenden Fall nicht bestätigt werden.

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