Neue Wanderausstellung schlägt den Bogen von Schmidt bis heute

Über Traditionen und heutige Verantwortung, Museen zu gestalten – #Challenging Democracy feiert Premiere in Berlin

 

Detail aus der Wanderausstellung

Liebe Leser*innen,

am 23. April eröffnen wir im Deutschen Bundestag #Challenging Democracy – Von Helmut Schmidt bis heute. Unsere neue Wanderausstellung erzählt Geschichte und Gegenwart. Sie schlägt den Bogen von Helmut Schmidt bis heute, ist impulsgebend, interaktiv, mit über 100 Quellen gefüllt, seh-, hör- und fühlbar. Und sie kommt zu Ihnen, denn sie tourt durch die gesamte Republik und wird an verschiedenen Orten zu sehen sein.

In diesem Schmidtletter erfahren Sie von der Tourmanagerin Lisa Querner nicht nur, warum sich der Ausstellungsbesuch lohnt. Sie ordnet #Challenging Democracy darüber hinaus in den historischen Kontext von Museen und deren gesellschaftlichen Auftrag ein.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch, erst einmal in Berlin, Bonn oder Leipzig.
Ihre Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung


 

#Challenging Democracy ist der Titel unserer Wanderausstellung. Worum geht es? Ein Bezugspunkt ist gesetzt – Helmut Schmidt. Während die einen ihn als Kanzler und Politiker „außer Dienst“ noch selbst erlebten, ist er für die anderen lediglich eine Person der Zeitgeschichte ohne näheren Bezug. Wir wollten eine Ausstellung konzipieren, die schon im Vorbeigehen Neugierde weckt, zum Mitdenken anregt, zur Partizipation aufruft und Debatten anstößt – je nach Ausstellungsort mit einem erweiterten Rahmenprogramm.

Eröffnen werden wir nun eine Ausstellung, die aktuelle Herausforderungen mit historischen Diskursen der Bundesrepublik der späten 1960er- bis 1980er-Jahre in Verbindung bringt. Der Blick auf Beteiligte, ihre Mittel und Lösungsansätze in den (sicherheits-)politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Debatten ermöglicht in vier Modulen ein Eintauchen in demokratische Prozesse. Schmidt und seine Zeitgenoss*innen waren mit ähnlichen Fragen konfrontiert wie wir heute: Was schützt Demokratie? Was bedroht Demokratie? Wie sozial ist Demokratie? Wie nachhaltig ist Demokratie?

Mit Wissen über die historischen Debatten im Gepäck, sind in der Ausstellung auch Sie, unsere Besucher*innen, gefragt: Wie stehen Sie zu diesen Streitfragen? Interaktive Stationen laden ein zum Reflektieren, Diskutieren und Entscheiden. #Challenging Democracy ist wandelbar: Das „Regionale Fenster“ beschäftigt sich mit historischen Schmidt-Spuren am jeweiligen Ausstellungsort. Eine biografische Station zeigt wichtige Etappen von Helmut Schmidts privatem und politischem Leben. Mit einem Blick hinter die Kulissen politischer Inszenierung erkunden wir die vielen Schmidt-Bilder, die bis heute fortwirken.

Von „Wunderkammern“ zum nationalen Haus

Vor ein paar hundert Jahren hätte es so eine Ausstellung nicht gegeben. Denn in den „Wunderkammern“, den Vorläufern moderner europäischer Museen, war es nur geladenen Gästen möglich, die persönlich gesammelten Faibles ihrer adligen Besitzer zu bestaunen: ausgestopfte Tiere, Kunst, verzierte Waffen oder geistreiche Technik. Damit wurden Besitz und Macht demonstriert. Erst Aufklärung, Französische Revolution und ein an Einfluss gewinnendes Bürgertum führten zur Gründung öffentlicher, nationaler Museen seit dem 19. Jahrhundert. An den Sammlungsobjekten wurde geforscht, Vergangenheit, Gegenwart und Fortschritt erklärt und das Publikum gebildet. In repräsentativen Schmuckbauten wurden sie als künstlerischer und kultureller Stolz der Nation präsentiert und stifteten für die Bürger*innen Identität. Verstärkt wurde dieser Prozess durch das Ausstellen von begehrtem Kulturbesitz aus anderen europäischen Ländern sowie als „exotisch“ empfundenen Hinguckern aus Regionen der Welt, die in zeitgenössischer Sicht als weniger entwickelt galten. So wurde die kosmopolitische Neugier des bildungsbürgerlichen Museumpublikums ohne beschwerliche Reise gestillt und gleichzeitig die eigene Position durch Abwertung anderer Identitäts- und Weltvorstellungen gestärkt.

Ein Museum ist politisch

Heutige Museen sind institutionell mit dieser Geschichte von Macht, Repräsentation, Identität und Bildung verbunden. Sichtbar wird das auch in manchem denkmalgeschützten Museumsbau. Die Museen weiterhin öffentlich zugeschriebene Deutungshoheit legt Verantwortung in die Hände von all denen, die diesen Raum gestalten.

Was ist ein Museum heute? Geschützt ist der Begriff nicht. Der internationale Dachverband der Museen (ICOM) formuliert in seiner Definition als Hauptaufgaben: Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln – und noch mehr: „Öffentlich zugänglich, barrierefrei und inklusiv, fördern Museen Diversität und Nachhaltigkeit. Sie arbeiten und kommunizieren ethisch, professionell und partizipativ mit Communities. Museen ermöglichen vielfältige Erfahrungen hinsichtlich Bildung, Freude, Reflexion und Wissensaustausch.“ Der Anspruch an die Institutionen ist also erheblich gewachsen: Sie sollen Erfahrungsorte für eine vielfältige, heterogene und demokratische Gesellschaft sein. Welche Konsequenzen hat das für kulturhistorisch arbeitende Institutionen? Die Antworten darauf sind so vielfältig wie die Anforderungen an die Einrichtungen selbst und ihre Mitarbeiter*innen.

#Challenging Democracy. Von Helmut Schmidt bis heute

Unsere Ausstellung hat keine zu bewahrende Sammlung, sie trägt vor allem Forschung zusammen, setzt inhaltliche Akzente, wandert durch die Republik und wird an öffentlichen, aber nicht nur klassischen Ausstellungsorten zu sehen sein. Was es heißt, als Historikerin und Ausstellungsmacherin gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, formuliere ich so: Hinter den Kulissen wird Material zusammengetragen und daran geforscht. Auf Basis dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen Formate entwickelt werden, die für möglichst viele Menschen mit ihren individuellen Geschichten Anknüpfungspunkte bieten und für sie einen bildenden Mehrwert schaffen. Museen und Ausstellungen sollten demokratische Diskursräume öffnen und mit Nachdruck offenhalten, da wo andere sie schließen; für Differenzierungen sorgen, wo andere mit populistischen Aussagen Politik machen. Sie regen Besucher*innen zum historischen Lernen an und befähigen sie im besten Fall zur gesellschaftlichen und politischen Teilhabe. Mit eben diesem Anspruch haben wir #Challenging Democracy konzipiert und einen mobilen Raum geschaffen, um etwas über (historische) Gestaltungsmöglichkeiten in einer Demokratie zu lernen und Anreize für die Mitgestaltung von Gegenwart und Zukunft zu setzen.

Neugierig geworden? Vom 24. April bis 16. Mai 2024 feiert die Ausstellung im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags in Berlin ihre Premiere, dann geht es nach Bonn und Leipzig – und bestimmt auch bald an einen Ort in Ihrer Nähe. Weitere Informationen zur Ausstellung, den Öffnungszeiten in Berlin und den weiteren Stationen finden Sie hier. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Detail aus der Wanderausstellung

Unsere Wanderausstellung schlägt den Bogen von Helmut Schmidt bis heute.

© BKHS/Michael Zapf

Detail aus der Wanderausstellung

Die Ausstellung regt zum Mitdenken an, ruft zur Partizipation auf und stößt Debatten an.

© BKHS/Michael Zapf

Schwarz-weiß Foto vom Alten Museum in Berlin

Beauftragt durch den damaligen preußischen König wurde 1830 das Alte Museum in Berlin im repräsentativen Neubau eröffnet. Die Aufnahme stammt von ca. 1899.

© picture alliance

Autorin: Lisa Querner

Mitarbeiterin Wanderausstellung

Nach einem Bachelor in Geschichte an der Universität Hamburg studiert Lisa Querner seit Oktober 2022 den Master in Public History an der Freien Universität Berlin. Als Werkstudentin arbeitete sie in der Körber-Stiftung und in der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung. Als Mitarbeiterin des Arbeitsbereichs Ausstellung und Geschichte kuratierte sie hier u.a. die neue Wanderausstellung #Challenging Democracy – Von Helmut Schmidt bis heute, deren Tourmanagement sie im April 2024 übernommen hat.

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