BKHS-Blickwinkel 01_2021

Jung, digital, engagiert? Welche Rolle „Online“ im politischen Partizipationsmix junger Menschen in Deutschland spielt

Autor*innen: Dr. Tobias Spöri, Dr. Nina-Kathrin Wienkoop, Dr. Jan Eichhorn, Dr. Christine Hübner

Zentrale Erkenntnisse


#1: Junge Menschen beteiligen sich politisch auf sehr unterschiedliche Art und Weise,
teils online, teils offline, teils auf beiden Wegen und teils gar nicht. Es gibt kein
einheitliches Beteiligungsverhalten aller jungen Leute.

#2: Die Teilhabe junger Menschen variiert nach Bildungshintergrund, steht aber in
direktem Zusammenhang mit der Häufigkeit, wie oft junge Menschen sich über Politik
informieren.

#3: Informationen zur Politik werden über viele verschiedene Kanäle gefunden, aber für
fast alle jungen Menschen spielen Online-Angebote eine zentrale Rolle. Dieser Trend hat
während der Pandemie noch zugenommen.

#4: Wählen wird als demokratische Pflicht wahrgenommen, bei der letztlichen
Wahlbeteiligung finden sich aber Unterschiede abhängig von der Beteiligungspräferenzen junger Menschen.

#5: Die Online-Kommunikation von Politiker*innen wird von vielen jungen Menschen als
nicht authentisch eingeschätzt. Aber auch Influencer*innen, die sich politisch äußern,
werden von bestimmten Gruppen junger Menschen kritisch betrachtet und weniger als
politischer Einfluss wahrgenommen.

#01_2021 – 07. September 2021

Jung, digital, engagiert?

Vor der Bundestagswahl am 26. September richtet sich der öffentliche Fokus wieder stärker auf junge Menschen, ihre Einstellungen und Formen der politischen Teilhabe. Unter den 5,1 Millionen Wahlberechtigten unter 25 Jahren befinden sich in diesem Jahr auch rund 2,8 Millionen junge Menschen, die zum ersten Mal bei Bundestagswahlen wählen
dürfen (Bundeswahlleiter 2021).

Diese jungen Menschen sind laut der Tagesschau „mit Smartphone und Digitalisierung groß geworden – immer online, immer erreichbar“ (Frahm 2021). Aber beeinflusst diese Verhaltensweise auch, wie sich junge Menschen über Politik informieren und letztlich wie sie sich selbst politisch äußern? Einschlägige Studien verdeutlichen, dass sich junge Menschen auf ganz unterschiedliche Art politisch beteiligen (vgl. Grafik 1). Besonders in den letzten Jahren haben sich die Teilhabeformen der politischen Meinungsäußerung vervielfacht.

Dies liegt mitunter an der gestiegenen Anzahl an Möglichkeiten sich politisch einzubringen – nicht zuletzt durch die zunehmende Digitalisierung und die dadurch entstandenen Anwendungen wie Facebook, Instagram oder TikTok (Mascheroni 2017).

Diesen Trend hat die Corona-Pandemie noch weiter beschleunigt: Nicht nur alltägliche Handlungen, sondern auch politische Teilhabe wie Diskussionen, Petitionen oder Proteste haben sich aus Offline- in Online-Räume verlagert (Andresen et al.2021). Durch die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie wurden viele (junge) Menschen verstärkt politisiert. Diese Entwicklungen zusammen mit den kreativen Protestaktionen von Bewegungen wie Fridays for Future oder #BlackLivesMatter führten zur weiteren Ausdifferenzierung und größeren Bandbreite, auf welche Art und Weise sich junge Menschen politisch äußern – online und offline (Reinhardt 2019).

Aber auch klassische Formate wie Wahlen haben unter jungen Menschen weiterhin eine große Reles mehr als jede vierte junge Person unter 25 Jahren an Online-Protesten oder politischen Diskussionen im Internet beteiligt. Im Jahr 2019 waren es bereits rund 30 Prozent aller Befragten (Deutsches Jugendinstitut 2014 und 2019).

Aber auch klassische Formate wie Wahlen haben unter jungen Menschen weiterhin eine große Relevanz und spielen eine Rolle im Partizipationsrepertoire junger Menschen. Zwar beteiligen sich junge Menschen im Vergleich zur älteren Bevölkerung eher weniger oft an Wahlen, allerdings war dies seit der ersten Erhebung einer repräsentativen Wahlstatistik im Jahr 1965 bei bisher allen Bundestagswahlen der Fall. Gegenteilig hat sich diese "Alterslücke“ im letzten Jahrzehnt immer mehr verringert (Hübner und Eichhorn 2018).

Es lohnt sich also im Hinblick auf die Teilhabe junger Menschen in Deutschland zu differenzieren, wie sich junge Menschen politisch äußern und informieren, welche Rolle Online-Formate und digitale Formen der politischen Beteiligung im Partizipationsmix junger Menschen spielen, und welche Unterschiede innerhalb „der Jugend“ dabei bestehen.

Keine reine Netzgeneration – Unterschiedliche Kombinationen von Online- und Offline-Beteiligung

Für viele junge Menschen spielt Online-Teilhabe an Politik eine große Rolle, aber das trifft bei Weitem nicht auf alle zu. Zwar nahmen in den vergangenen zwölf Monaten mehr als ein Drittel aller im Rahmen der Studie „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten 2019“ befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen an Online-Teilhabeformen wie Online-Protestaktionen, OnlinePetitionen, politischen Online-Diskussionen oder in Form eines politischen SocialMedia-Posts teil (vgl. Grafik 2). Jedoch gaben für den gleichen Zeitraum knapp die Hälfte (47 Prozent) aller Befragten, an, offline für ihre politischen Interessen aktiv geworden zu sein. Hierunter fällt zum Beispiel die Teilnahme an Demonstrationen, Bürgerinitiativen, Unterschriftensammlungen oder politischen, persönlich geführten Diskussionen.

Entgegen dem Bild einer reinen Netzaktivismus-Generation gibt es unter jungen Menschen in Deutschland sehr verschiedene Profile von Online- und Offline-Teilhabe. Für viele kommt der politischen Meinungsäußerung offline – also im persönlichen Umfeld sowie innerhalb von politischen Gruppen und Initiativen – eine große Bedeutung zu.

In all ihrer Unterschiedlichkeit lassen sich junge Menschen und ihre Teilhabeformen vereinfachend in vier Typen einteilen: die Gruppe derjenigen, die tatsächlich nur online aktiv sind; derjenigen, die sich online sowie offline beteiligen; derjenigen, die sich sogar nur offline beteiligen und letztlich derjenigen, die angeben, weder offline noch online politisch aktiv zu sein (vgl. Grafik 2).

Etwas mehr als die Hälfte der 16- bis 24-Jährigen (56 Prozent) war in den vergangenen zwölf Monaten in mindestens einer Teilhabeform online und/oder offline politisch aktiv. Rund ein Viertel aller in der AID:A 2019 - Studie Befragten (27 Prozent) war dabei sowohl online als auch offline aktiv, knapp jede zehnte Person nur online (9 Prozent) und jeder fünfte junge Mensch nur offline (20 Prozent). Im Umkehrschluss bedeutet dies auch, dass etwas weniger als die Hälfte (44 Prozent) sich weder online noch offline in der jüngeren Vergangenheit politisch beteiligt haben. Neben der großen Anzahl derjenigen, die sich nicht regelmäßig beteiligen, stellt die größte Gruppe somit diejenigen dar, die Online- und Offline-Formen der politischen Teilhabe kombinieren. Anders als häufig dargestellt ist die kleinste Gruppe diejenige, die sich tatsächlich nur online beteiligt.

Ungleiche politische Teilhabe – online wie offline

Bei der Präferenz, sich online oder/und offline zu beteiligen, gibt es mitunter große Unterschiede zwischen jungen Menschen verschiedener sozialer und Bildungshintergründe. Beziehen wir zum Beispiel den für politisches Teilhabeverhalten oftmals der Anteil derer, die sich nur online politisch beteiligen, über junge Menschen verschiedener Schulformen hinweg konstant bei rund 10 Prozent, während der Anteil junger Menschen, die sich weder online noch offline beteiligen bei jenen mit Hauptschulabschluss mehr als doppelt so hoch ist (68 Prozent) als unter denen, die ein Gymnasium besuchen oder besucht haben (33 Prozent).

Reichweite vs. Klicktivismus – Unterschiedliche Wahrnehmungen von Offline- und Online-Partizipation

Unterschiede in den Beteiligungspräferenzen junger Menschen bestehen nicht nur im Hinblick auf soziale Gruppen, sondern auch bei der Wahrnehmung und empfundenen Wirksamkeit von politischer Teilhabe. Insbesondere in Bezug auf die Funktion und Wirksamkeit von Online- und OfflineFormen politischer Beteiligung haben junge Menschen sehr unterschiedliche Sichtweisen (vgl. Grafik 4).

So wählen junge Menschen, die sich online wie offline politisch beteiligen, ihre Teilhabekanäle je nach Bedarf aus. Diese jungen Menschen nutzen Online-Formen vor allem dazu, eine möglichst große Reichweite für ihre Themen zu erzielen und andere Menschen für konkrete Aktionen zu mobilisieren. Vor allem aufgrund physischer Sichtbarkeit und einer höheren Effektivität präferieren diese jungen Menschen insgesamt aber eher OfflineFormen der Beteiligung. Sie schreiben ihnen zu, essentiell zu sein, um von Politiker*innen wahrgenommen und bestenfalls gehört zu werden.

Junge Menschen, die nur online politisch aktiv sind, haben hingegen am ehesten Zweifel an der Wirksamkeit von Offline-Teilhabe, also an der Teilnahme an Wahlen oder Straßenprotesten zum Beispiel. Für sie bietet die Online-Beteiligung deutliche Vorteile, da sie schneller ist und mehr Reichweite in kürzerer Zeit generiert: Online kann ein „Schneeballsystem ausgelöst werden“ (Nina, 20), was offline hingegen wesentlich zeitintensiver wäre.

Eben jene Einfachheit von politischer Beteiligung online ist es wiederum, die junge Menschen, die nur offline aktiv sind, dazu führt, Online-Beteiligung als weniger wichtig und weniger wertvoll wahrzunehmen. Die reine Online-Beteiligung wird mitunter abwertend als „Klicktivismus“ bezeichnet (Karpf 2010). Diese jungen Menschen begegnen Online-Teilhabe mit großer Skepsis und verurteilen

das einfache „anklicken“ als zu wenig aufwendig, um politisch wirksam zu sein und als Teilhabe zu zählen. Aus ihrer Sicht finden sinnvolle politische Auseinandersetzungen selten online statt, weshalb diese jungen Menschen es vorziehen, eher offline politisch aktiv zu sein.

Junge Menschen, die weder online noch offline aktiv sind, empfinden, dass sie im Vergleich zu den anderen drei Gruppen eher weniger über Politik wissen, und zeigen eine geringere Motivation zur politischen Teilhabe insgesamt. Zwar wurden viele junge Menschen aus dieser Gruppe in der Schule noch für politische Teilhabe mobilisiert, beispielsweise über von anderen initiierten Demonstrationen oder Spendenaktionen. Nachdem die Schulzeit aber abgeschlossen wurde, ist politische Teilhabe für diese Gruppe „fern“ (Nadja, 22).

Interessanterweise waren sich alle Teilnehmenden der vier Fokusgruppen unabhängig von ihren Beteiligungspräferenzen einig, dass Wahlen als Partizipationsform essentiell sind. Alle Teilnehmende betonten, dass die Beteiligung an Wahlen als „Bürger*innenpflicht“ gilt und sie selbst auch „selbstverständlich“ vorhaben, bei anstehenden Wahlen eine Stimme abzugeben (Hübner und Eichhorn 2018). Mehrfach wurden über die Gruppen hinaus ähnliche Aussagen getätigt, wie zum Beispiel von Andreas (22), der sich nur offline beteiligt: „Wenn du selber nicht wählen gehst, ist es halt Ignoranz“. Aber auch Ali (16), der sonst nur online aktiv ist, betont: „Ich würde immer wählen“. Die Präferenz für Online- oder Offline-Teilhabe scheint keine Auswirkung auf die wahrgenommene

Bedeutung der Beteiligung an Wahlen zu haben. Zudem betonen die Teilnehmenden immer wieder, dass sie sich selbst vor ihrem ersten Gang zur Wahlurne umfassend informiert hätten und setzten das Informieren als Voraussetzung für die eigene Stimmabgabe. Auch diejenigen, die sich bisher nicht beteiligen, sehen diesen Zusammenhang und den Moment der ersten Wahl als Zeitpunkt, sich über Politik zu informieren.

Im Gegensatz zur Betonung der eigenen Wahlbereitschaft zeigen empirische Erhebungen aber, dass es durchaus messbare Unterschiede in der Wahlbeteiligung zwischen jungen Menschen mit mit verschiedenen Beteiligungspräferenzen gibt. In Umfragen fiel die angegebene Wahlbeteiligung in den Gruppen der sowohl online als auch offline aktiven und der nur offline aktiven 18- bis 24- Jährigen am höchsten aus (84 und 83 Prozent). Junge Menschen, die nur online oder weder online noch offline aktiv sind, zeichnen sich durch eine deutlich niedrigere Wahlbeteiligung aus (65 und 57 Prozent, Deutsches Jugendinstitut 2019).

Hier zeigt sich ein in der Wissenschaft schon länger besprochenes Phänomen, dass mehr politische Teilhabe – gleichgültig ob online, offline oder als Kombination beider Formen – auch zu einer höheren Wahlbeteiligung führt (Boulianne und Theocharis 2020). Das bedeutet, dass politische Teilhabe, die außerhalb bestehender Strukturen wie zum Beispiel Parteien oder Wahlen stattfindet, nicht dazu führt, dass Menschen sich ausschließlich außerhalb der Institutionen repräsentativer Demokratie beteiligen. Im Gegenteil, die Empirie zeigt, dass diese außerinstitutionelle Beteiligung wie beispielweise an Protesten auch vorteilhaft für andere Beteiligungsformen wie die Ausübung des Wahlrechts ist. Hinzu kommt, dass junge Menschen, die sich gar nicht oder nur online beteiligen, entgegen ihrer Intention, wählen zu gehen, auch eher an bestehenden Barrieren in Hinsicht auf die Wahlbeteiligung scheitern, wie zum Beispiel an einer geringeren Mobilisierung im Familien- oder Freundeskreis.

Gleiches Medium, aber andere Kanäle

Neben der politischen Beteiligung spielen OnlineFormate vor allem auch beim Informationsverhalten junger Menschen eine Rolle – und auch hier zeigen sich Unterschiede zwischen jungen Menschen je nach ihrer Beteiligungspräferenz. Fast jede dritte junge Person unter 25 Jahren informiert sich sogar täglich zu politischen Themen (30 Prozent), fast die Hälfte aller junger Menschen informiert sich wöchentlich (46 Prozent) und nur knapp jede*r Vierte informiert sich selten beziehungsweise nie über Politik (Deutsches Jugendinstitut 2019).

Das politische Informationsverhalten und die politische Beteiligung junger Menschen hängen maßgeblich zusammen. Von denjenigen, die sich selten bis nie politisch informieren, beteiligen sich deutlich weniger politisch (30 Prozent, vgl. Grafik 5). Hingegen sind unter denjenigen, die sich täglich über Politik informieren, drei von vier jungen Personen politisch aktiv (74 Prozent).

Ähnlich wie bei den Beteiligungspräferenzen junger Menschen gilt hierbei, dass die Gruppe derjenigen, die die reine Online-Beteiligung bevorzugen, eine deutliche Ausnahme von der Regel darstellt: Im Gegensatz zu jungen Menschen, die sich eher offline oder in Kombination offline und online beteiligen, sind rein Online-Beteiligte eher unter denjenigen zu finden, die sich selten bis nie politisch informieren (15 Prozent), als in der Gruppe derjenigen, die sich täglich informiert (10 Prozent).

Unabhängig von ihrer präferierten Teilhabeform sind für die allermeisten jungen Menschen OnlineKanäle die Hauptinformationsquelle, wenn es um politische Themen geht. Das heißt zum einen, dass online sowohl diejenigen erreicht werden, die sich offline oder/und online beteiligen. Zum anderen bedeutet es, dass politische Themen online präsent sein müssen, um einen Großteil der jungen Zielgruppe erreichen zu können.

Bei näherer Betrachtung wird zudem deutlich, dass die „klassischen“ Medien nicht weniger relevant sind, sondern dass sie vielmehr online konsumiert werden. Der Großteil aller Befragten der „Generation Z“-Umfrage des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung (2020) gibt an, sich hauptsächlich durch Online-Zeitungen (42 Prozent), TV-Nachrichten (39 Prozent), Google (37 Prozent) und Nachrichten-Apps (30 Prozent) zu informieren.

Besonderer Bedeutung kommen dabei Social Media-Auftritten von Zeitungen oder Nachrichtensendungen zu, insbesondere der App der Tagesschau sowie auch Nachrichten-Apps, die mitunter speziell für junge Menschen angeboten werden, wie das Statement von Ben illustriert: Ich nutze die App („DeinUpdate“, ein personalisiertes News-Portal, in dem sich Nutzer*innen per Filter Nachrichten zur Rap-Szene, aber auch zu Fußball, Autos oder generelle Nachrichten direkt auf das Smartphone zusenden lassen können und die sich speziell an junge Menschen richtet) eigentlich jeden Tag, weil ich das für die beste App halte, die mich am meisten informiert (…). Die ist gut und für die jüngere Generation gemacht (Ben, 19, nur online). Hinsichtlich der Tagesschau wurde besonders deutlich, wie die verschiedenen Formen – die Tagesschau auf Spotify, Instagram oder online als Tagesschau in 100 Sekunden – genutzt und diese Vielfalt als positiv gesehen wurde. Negativ hingegen und als deutliche Hürde für die Lektüre bestimmter Zeitungen wurde immer wieder die Bezahlschranke bei Zeitungen wie die Zeit oder Süddeutsche erwähnt. Besonders die Bedingung eines Abonnements und somit der Festlegung auf ein Medium wurde als realitätsfern gewertet und die Kosten als abschreckend im Vergleich zu den monatlichen Kosten für Streaming-Anbieter, die als Referenz genannt wurden. Stattdessen greifen die jungen Menschen dann auf Online-Nachrichten zu, die kostenlos angeboten einsehbar sind.

Bei den Fokusgruppen wurde darüber hinaus deutlich, dass TV-Nachrichten allein meist online, offline dagegen eher mit den Eltern am Abend konsumiert werden. Politische Nachrichten online zu konsumieren hat für viele junge Menschen den Vorteil, dass dies schnell und selbstbestimmt ist, wie die Aussagen der Teilnehmenden der Fokusgruppen verdeutlichen: Bei mir war es die Tagesschau im Fernsehen, aber inzwischen gucke ich kein Fernsehen mehr und ich finde es einfach viel entspannter auf Social Media einfach herunterzuscrollen, da kann man sich die Themen einfach nur angucken, die einen auch interessieren (Ali, 16, nur online).

Für viele junge Menschen ist es entscheidend, dass sie sich selbst die Themen aussuchen, zu denen sie sich informieren – anders als dass bei Fernsehnachrichten oder (gedruckten) Zeitungen der Fall wäre. Hier finden sich nicht zwangsläufig zu dem eigenen Interessengebiet Artikel in jeder Ausgabe wieder.

Über die Apps von Nachrichtendiensten, Kanäle in sozialen Medien oder eigens einstellbare Dienste wie zum Beispiel Google News filtern junge Menschen spezifische Informationen heraus, die sie aktuell interessieren. Es ist wichtig, dass relevante Nachrichten im Karussell der täglichen Informationen abgebildet sind, also beispielsweise in Instagram Stories oder Google Notifications. Junge Menschen suchen sich dann spezifisch heraus, was sie relevant finden und wozu sie sich informieren möchten.

Kritischer Umgang mit Social-Media-Auftritten von Politiker*innen

Unterschiede zwischen jungen Menschen je nach ihrer Präferenz für Offline- oder Online-Beteiligung oder Kombinationen von beiden zeigen sich besonders deutlich bei der Wahrnehmung von Politiker*innen, die online aktiv sind, sowie Influencer*innen. Bei letzteren manifestiert sich der Unterschied besonders deutlich.

Während in unseren Fokusgruppen die sowohl online als auch offline Aktiven politische Influencer*innen eher als Ergänzung zu ihrem Informationsverhalten sahen und diese kritisch einordneten, waren diejenigen, die sich nur online oder nur offline politisch beteiligten aus unterschiedlichen Gründen skeptisch (vgl. Grafik 6). Junge Menschen, die sich nur online politisch beteiligen, stellten die Abhängigkeit der Influencer*innen von Werbepartner in den Mittelpunkt, wohingegen diejenigen, die sich nur offline beteiligen, Influencer*innen als nicht vertrauenswürdig erachten. Von letzteren hielten es einige sogar für gefährlich, wenn junge Menschen den subjektiven Perspektiven von Influencer*innen ausgesetzt seien, da sie diesen nur schwer medienkritisch gegenüber treten könnten. Deutlich ablehnend positioniert sich dagegen die nicht aktive Gruppe, die keine Mehrwert darin sah, sich die Beiträge von Influencer*innen anzusehen oder zu hören.

Alle Gruppen einte hingegen, dass sie die SocialMedia-Aufritte von Politiker*innen kritisch verfolgen. Ob online oder offline vermittelt – etwas mehr als die Hälfte aller junger Menschen empfinden die Politiksprache als fremd (54 Prozent; Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2020). Für einige bestehen somit auch Hürden, was den Ausdruck und die Kommunikationsweise von Politiker*innen mit jungen Menschen betrifft. 

Zudem kritisierten die jungen Teilnehmenden über alle Fokusgruppen hinweg, dass die OnlineAuftritte vieler Politiker*innen nicht authentisch seien: Die CSU versucht es bei TikTok jetzt auch ganz stark. (…). Man merkt selbst, dass er (Markus Söder) dieses TikTok gar nicht selbst macht, dass dann nur irgendwelche Bilder von ihm aneinandergeschnitten sind (Karola, 15, nur offline).

Positiv wird hingegen angesehen, wenn jüngere Menschen in Parlamenten sitzen und dann auch noch über Plattformen kommunizieren, die primär von jungen Menschen genutzt werden: Wen ich super finde, ist Tiemo Wölken, das ist ein EUParlamentarier, der streamt auch sehr häufig auf Twitch und erzählt dann auch immer wirklich spannende Dinge aus dem EU-Parlament (Felix, 24, online & offline).

Die bloße Online-Präsenz von Politiker*innen spricht somit junge Menschen nicht per se an. Sie erkennen schnell, ob es sich hier um einen authentischen Auftritt handelt. Hier besteht zudem die Gefahr, dass – wenn es sich aus Sicht junger Menschen um reine Werbestrategien für Parteien oder Politiker*innen handelt – diese Auftritte eher als lächerlich und negativ empfunden werden.

Zusammenfassung und nächste Schritte

Ebenso wie der Rest der Bevölkerung folgen auch junge Menschen nicht alle einem einheitlichen Muster in ihrer politischen Beteiligung. Viele beteiligen sich, aber auf unterschiedliche Weise, teils online, teils offline und teils auf beiden Wegen. Ihr politisches Informationsverhalten unterscheidet sich ebenfalls oft. Zwar sind für viele junge Menschen Online-Angebote besonders wichtig, aber das bedeutet nicht, dass junge Menschen durchweg unkritisch auf beispielsweise Akteure wie Influencer*innen schauen. Nicht authentische Kommunikation von Politiker*innen online wird als solche erkannt und besonders negativ aufgefasst.

Es zeigt sich hier, dass gerade bei der Kommunikation zwischen jungen Menschen und Politiker*innen noch viel Verbesserungspotential besteht. Die Interaktion und Kommunikation zwischen jungen Menschen und Politiker*innen soll im weiteren Verlauf unseres Projekts detaillierter untersucht werden unter Berücksichtigung der Vielfältigkeit der politischen Beteiligungsformen junger Menschen. Diese Erkenntnisse werden einerseits in Form von Eliteninterviews gewonnen, die eine tiefergehende Analyse der Sicht von politischen Entscheidungsträger*innen auf die Kommunikation speziell mit jungen Menschen ermöglicht. Die Interviews werden durch weitere Fokusgruppen mit jungen Menschen ergänzt, in denen konkret untersucht wird, wie sie auf die Kommunikation von Politiker*innen reagieren.

Dann werden sowohl klassische Formate wie politische Reden als auch die Social-MediaAuftritte von politischen Entscheidungsträger*innen berücksichtigt. Abschließend werden beide Gruppen – junge Menschen und Politiker*innen – zu einem gemeinsamen Workshop eingeladen, bei dem konkrete Lösungen und Empfehlungen für die gemeinsame Interaktion und Kommunikation erarbeitet werden. Die Ergebnisse werden anschließend im Frühling 2022 von beiden Kooperationspartnern veröffentlicht und voraussichtlich bei einer Präsenzveranstaltung in Hamburg vorgestellt.

  • Quellen und Literatur

    Andresen, Sabine, Lea Heyer, Anna Lips, Tanja Rusack, Wolfgang Schröer, Severine Thomas und Johanna Wilmes (2021): Das Leben von jungen Menschen in der Corona-Pandemie. Erfahrungen, Sorgen, Bedarfe. Abrufbar unter: www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/das-leben-von-jungenmenschen-in-der-corona-pandemie-1 (letzter Zugriff 30.08.2021)

    Boulianne, Shelley und Yannis Theocharis (2020): Young People, Digital Media, and Engagement: A MetaAnalysis of Research. Social Science Computer Review 2020, 38 (2), S. 111-127

    Bundeswahlleiter (2021): Wahl zum 20. Deutschen Bundestag am 26. September 2021, Heft 1, Vergleichszahlen früherer Bundestags- und Landtagswahlen sowie Strukturdaten für die Bundestagswahlkreise. Abrufbar unter: www.bundeswahlleiter.de/dam/jcr/019d7d95-0885-4c1d-8086-fd07c58fb6ca/btw21_heft1.pdf (letzter Zugriff 30.08.2021)

    Deutsches Jugendinstitut (2014): AID:A II – Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten. Integrierte DJISurveyforschung. Abrufbar unter: www.dji.de/ueber-uns/projekte/projekte/aida-ii-aufwachsen-indeutschland-alltagswelten.html (letzter Zugriff 30.08.2021)

    Deutsches Jugendinstitut (2019): AID: III – Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten. Dritte Welle der integrierten DJI-Surveyforschung. Abrufbar unter: www.dji.de/ueber-uns/projekte/projekte/aida2019.html (letzter Zugriff 30.08.2021)

    Frahm, Christian (2021): Junge Menschen vor der Wahl Wie die „Generation Merkel“ tickt. Abrufbar unter: www.tagesschau.de/inland/btw21/bundestagswahl-erstwaehler-generation-z-101.html (letzter Zugriff 30.08.2021)

    Hübner, Christine und Jan Eichhorn (2018): Wie haben junge Deutsche gewählt? Wahlverhalten junger Wähler_innen zur Bundestagswahl 2017, S. 43-44. Abrufbar unter: dpart.org/wpcontent/uploads/2019/08/Wie-haben-junge Deutsche-2017-gew%c3%a4hlt.pdf (letzter Zugriff 30.08.2021)

    Karpf, David (2010): Online Political Mobilization from the Advocacy Group's Perspective: Looking beyond Clicktivism. Policy & internet, 2 (4), S. 7-41

    Mascheroni, Giovanna (2017): A Practice-Based Approach to Online Participation: Young People’s Participatory Habitus as a Source of Diverse Online Engagement. International Journal of Communication, 11, S. 4630–4651

    Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2020): Generation Z. GESIS Data Archive, Cologne. ZA6738 Data file Version 1.0.0. Abrufbar unter: search.gesis.org/research_data/ZA6738 (letzter Zugriff 30.08.2021)

    Reinhardt, Sibylle (2019): Fridays For Future – Moral und Politik gehören zusammen. Gesellschaft. Wirtschaft. Politik, 68 (2), S. 7-8