Veränderung gestalten

Warum meine Generation den aktuellen Umbruch nutzen sollte

Nike Herzig (20) hat vom 01. April bis 30. Juni 2023 in der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung (BKHS) als Praktikantin gewirkt. In diesem Beitrag schildert sie, was sie bewegt hat, unsere Stiftung als Praktikumsort für die Zeit zwischen ihrem Abitur und dem Beginn ihres Studiums auszuwählen. Sie formuliert ihre Einschätzung der eigenen Generation und wie diese motiviert werden könnte, sich politisch zu engagieren, um aktiv Veränderungen mitzugestalten. 


 

„Zeitenwende“. Diesen Begriff prägte Olaf Scholz zu Beginn des Krieges in der Ukraine. Angesichts der vielen globalen Herausforderungen – von Corona, Krieg und Klimakrise – hat sich der Begriff inzwischen in unseren Alltag eingeprägt, in vielen Bereichen ist eine Umbruchsituation zu spüren. Diese gesellschaftlichen Entwicklungen passierten genau zu einer Zeit, in der auch große Veränderungen in meinem Leben anstanden: Im Februar 2022 war ich gerade in den letzten Zügen meines Abiturs und fragte mich, wie ich meine persönliche Zukunft gestalten will.

Umbrüche stehen für den Beginn eines neuen Zeitabschnitts und damit auch für die Chance auf Neugestaltung. Besonders für uns junge Leute ist das der perfekte Zeitpunkt, lauter zu werden und sich aktiv einzubringen. Und das nicht nur beim Thema Klima, sondern bei allen Themen, die uns zukünftig betreffen. Wir müssen diese Chance ergreifen, nicht nur um zu gestalten, sondern auch, weil politisches Engagement und Mitgestaltung eine persönliche Bereicherung sein können.

Ich habe mich für ein Praktikum bei der BKHS entschieden, weil ich mich mit politischen Themen inhaltlich auseinandersetzen und von Expert*innen lernen will. Ich kann dazu nur ermutigen, denn es hat mich sowohl inhaltlich, als auch persönlich bereichert. Ich habe neue Eindrücke und Denkanstöße bekommen und konnte faktenbasierte Diskussionen führen, was im Alltag oftmals schwer sein kann. 

Denn wenn wir jungen Leute die Zukunft neugestalten wollen, müssen wir das gemeinsam angehen. Wir können uns nicht einfach stur durchsetzen, sondern sollten auch auf andere achten. Deshalb ist es wichtig, auch mal aus unserer Blase herauszukommen, sei es nur die Bubble der eigenen Altersgruppe. Auch dabei hat mir mein Praktikum geholfen. Denn schnell wurde bei der gemeinsamen Arbeit in der Stiftung deutlich, dass alle von den aktuellen Herausforderungen des Umbruchs betroffen sind.

Warum ist der aktuelle Umbruch eine Chance?

Wir befinden uns in einer Zeit des Umbruchs, der Unsicherheit und der Angst vor der Zukunft. Wir haben jetzt die Chance, diese Zeit zu nutzen, um unsere Änderungsvorschläge und Wünsche in die Politik einzubringen, damit wir unsere Zukunft nicht fürchten müssen. 

Die Zukunft wird gestaltet von denen, die sich durchsetzen. Wir dürfen nicht darauf warten, dass jemand anderes für uns entscheidet – nicht, wenn die Zeit zu handeln so drängt wie noch nie. Mitten im politischen und gesellschaftlichen Wandel sind unsere Mitbürger*innen offener für Veränderungen und Vorschläge. Der perfekte Zeitpunkt, um die Chance zur Neugestaltung zu ergreifen.

Warum ist es wichtig, die Zukunft mitzugestalten?

Meine Generation ist eine heterogene Gruppe. Sie ist nicht verallgemeinerbar, daher gibt es keinen Weg, der für uns alle passt. Diese Heterogenität zeigt sich laut einer Studie der BKHS und d|part zum politischen Informationsverhalten und Engagement junger Menschen in Deutschland von 2022 auch in unserem Medienkonsumverhalten. Es gibt nicht die eine Plattform, auf der wir anzutreffen sind, die wir für politisches Engagement nutzen. Häufig nutzen wir beispielsweise TikTok oder Instagram. Wir haben eine große Bandbreite an Interessen, die es gilt, in die Politik der Zukunft einzubringen. Oftmals werden jedoch jene Interessen kaum gehört oder ernstgenommen.

So äußert sich beispielsweise Der Spiegel herablassend über die Forderungen der Letzten Generation. Dabei fällt auf, dass er sich nicht inhaltlich mit den neuen Forderungen, bezüglich des CO₂ -Abdrucks der Superreichen auseinandersetzt, sondern diese lediglich ins Lächerliche zieht. Sie werden als harmloser „Spuk“ beschrieben, der bald wieder vorbei sein werde. Dabei sind die jüngsten Forderungen der Letzten Generation keineswegs neu, SPD und die Linke begrüßen schon seit längerem eine höhere Besteuerung der Reichen im Rahmen einer Vermögenssteuer.

Die Letzte Generation steht zwar nicht stellvertretend für uns junge Leute, dennoch spricht sie mit der Bekämpfung des Klimawandels ein zentrales Anliegen unserer Generation an. Der Spiegel nimmt die angesprochene Problematik und die junge Klimabewegung nicht ernst, sondern wehrt sie ab. Um ernstgenommen zu werden, müssen wir erstmal gehört werden. 

Voraussetzungen für das Mitgestalten 

Aber es besteht immer noch eine große Distanz zwischen Politiker*innen und uns jungen Leuten. Sie treten häufig nur in klassischen etablierten Formaten wie Talkshows oder Interviews auf und ihre Accounts und Inhalte auf sozialen Medien sprechen jüngere Altersklassen oftmals nicht an, sofern die Politiker*innen überhaupt auf sozialen Medien vertreten sind. Dadurch wirken sie nicht nahbar und ihre Politik abstrakt und ungreifbar. Deshalb ist das Überwinden dieser Distanz eine wichtige Voraussetzung für unser aktives politisches Mitgestalten. Politiker*innen müssen sich an die Lebensrealitäten unserer Generation anpassen und uns auch auf sozialen Medien begegnen. Grundsätzlich müssen sie für Anliegen junger Bürger*innen ansprechbar sein.

Dabei ist Authentizität von großer Bedeutung. Auf TikTok politische Themen beispielsweise mit Tänzen und schlecht synchronisierten Liedern zu untermauern, ist nicht automatisch die richtige Herangehensweise. Dies liegt daran, dass Social Media sehr schnelllebig ist und viel über „Insider“ funktioniert. Es ist ein richtiger Schritt, um die Distanz zu schließen, jedoch müssen Politiker*innen auch die Expertise der entsprechenden Zielgruppe zu Rate ziehen, um authentisch aufzutreten. Nur so kann ihr Content von uns ernstgenommen werden. 

Wie kann die junge Generation die Chance ergreifen?

Die einfachste Möglichkeit, sich aktiv in die Neugestaltung einzubringen, ist über die sozialen Medien. Einfach deshalb, weil wir uns dort fast täglich aufhalten und uns über politische Themen informieren. Es ist ein vertrautes Medium und bietet so auch für noch unsichere junge, politisch Motivierte eine leicht zugängliche Plattform.

Social Media bietet zahlreiche Möglichkeiten zur Diskussion, zum Austausch und dazu, seine Stimme zu erheben. Insbesondere die Klimaprotestbewegungen erlangten durch soziale Medien viel Aufmerksamkeit und Zustimmung. Darüber hinaus können Aktionen wie Zusammenkünfte und Proteste ohne viel Aufwand und mit einer großen Reichweite organisiert werden. 

Die erfolgreichsten Beispiele sind die Klimabewegungen Fridays for Future und die Letzte Generation. Diese haben durch die sozialen Medien enormen Zuwachs und Unterstützung erlangt und den gesellschaftlichen Diskurs stark angeregt, wodurch die Politik sich mit der Problematik des Klimawandels auseinandersetzen musste. So wurde ein zentrales Anliegen unserer Generation durch Druck und aktives Handeln in die Politik eingebracht und die zukünftige Klimapolitik neugestaltet. Außerdem haben sich neue Gemeinschaften und Gruppen aus Gleichgesinnten gefunden, wodurch neue Bekannt- und Freundschaften geschlossen wurden. Somit dienten die Klimabewegungen nicht nur der Einflussnahme auf die Politik, sondern auch der Erweiterung des persönlichen Netzwerks und den damit verknüpften neuen Erfahrungen.

Neugestalten im Alltag und noch einen Schritt weiter

Politik ist also sehr wohl greifbar und beeinflusst unser Leben jeden Tag. Politisches Engagement ist sowohl online als auch analog möglich. Gerade in Zeiten der Veränderung sollten wir uns in allen möglichen Formen und Formaten an Gestaltungsprozessen beteiligen. Dabei kann jede*r das machen, was sie/ihn persönlich betrifft, denn es gibt viele Berührungspunkte von Alltag und Politik. Ein klassisches Beispiel, das wahrscheinlich jede*r kennt, sind die schlecht ausgebauten Fahrradwege in Deutschland. Auch hier kann Social Media wieder ein nützliches Werkzeug sein, um Mitstreiter*innen zu finden, mit denen gemeinsam Ideen und Verbesserungsvorschläge gesammelt und artikuliert werden können. 

Einmal gemeinsam organisiert, lässt sich Politik im Alltag weiterführen. Ein nächster möglicher Schritt für das persönliche politische Engagement könnte es beispielsweise sein, Teil einer Initiative oder eines Think Tanks zu werden. Dort kann man sich gemeinsam mit anderen Gedanken zu verschiedensten politischen Themen machen und sich weiter austauschen. Denn es ist wichtig, sich auch mit fremden Meinungen auseinanderzusetzen und sich der Diskussion zu stellen. Nur so kann man die bestmögliche Lösung für die Zukunft finden.

Politisches Engagement sollte keine Bürde sein

Politisches Engagement sollte eine persönliche Bereicherung sein, keine Bürde. Man erlebt Neues, lernt verschiedene Personen und Perspektiven kennen, entwickelt sich weiter und gestaltet seine eigene Zukunft neu. Wir sollten es nicht nur als Aufgabe sehen, sondern auch als Chance. Wir haben die Chance, unsere Zukunft in die Hand zu nehmen. Lasst uns lauter werden. Lasst uns zeigen, dass wir hartnäckig bleiben und uns nicht unterkriegen lassen. Lasst uns jetzt Veränderung gestalten.

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